In Brest-Litowsk 183
ihrer Größe anspruchsvoll, und dann gab es auch noch zu schreiben.
Ich habe Oberstleutnant Hoffmann bewundert, wie er mit seinem soge-
nannten Salon auskam; noch weniger Raum hatten die anderen Herren,
und dazu brannte die Sonne erbarmungslos auf die Dächer der Wagen
und machte den Aufenthalt unerträglich. Ich beschloß deshalb, sobald als
möglich den Zug zu verlassen, und schlug dem Generalfeldmarschall Brest-
Litowsk selbst als Quartier vor. Die Herren des Stabes bekamen einen
gelinden Schreck. Die vollständig ausgebrannte Stadt kam überhaupt nicht
in Frage, die Zitadelle war ein kleines Gefängnis. Der Kommandant der
Festung hatte dort seine Wohnung und seine Arbeitsräume eingerichtet,
aber nicht die Arbeitskräfte gehabt, die Zitadelle auch nur einigermaßen auf-
zuräumen. Alles war verwildert und verwachsen, nichts war seit langem
geschehen, die Brennessel gedieh jetzt zu gewaltiger Größe. Die Luft war
feucht und dumpfig. Baracken waren erhalten, doch ohne jedes Möbelstück.
Aber es nutzte nichts, ein Entschluß mußte gefaßt werden. Ich ordnete die
Einrichtung des Hauptquartiers in der Zitadelle an. Natürlich dauerte es
geraume Zeit, bis alles fertig war und wir aus dem Zuge erlöst wurden.
Ich bin gern in Brest gewesen und aus der Zitadelle nicht heraus-
gekommen. Die selten schönen, hohen Weiden, die mit ihrem Geäst tief in
die Gewässer herabhingen, die die Zitadelle durchströmen, und einige kurze
Alleen gaben dem Ganzen einen freundlichen Charakter. Außerhalb der
Festung war Einöde; die schmucklosen, aber so wichtigen Bahnanlagen und
die verbrannte Stadt boten wenig Anziehungspunkte.
Ich ließ die Baracken von dem sie umgebenden Gestrüpp freilegen,
daß die Luft an die Mauern herantreten und ihnen die dumpfe Feuchtig-
keit nehmen konnte; auch Bäume wurden gefällt und Aste ausgeschlagen,
um der Sonne und der Luft Zutritt zu geben. Ich hatte an dem Inord-
nungbringen Freude.
Zur Festigung der österreichisch-ungarischen Front gehörten deutsche
Truppen. Die frühere Front des Oberbefehlshabers Ost war bereits derart
ausgeplündert, daß ihr zunächst nicht viel zu entnehmen war. Der schwere
Angriff südlich Riga war eben erst abgeschlagen. Seine Wiederholung blieb
möglich. Wir machten noch wenige Kavallerie-Regimenter sowie eine ge-
mischte Abteilung in Stärke von 3 Bataillonen und einigen Batterien unter
General Melior frei. Diese hatten wir bereits der k. u. k. 2. Armee zu-
gesagt. Sie wurde sofort dorthin gefahren. Unsere einzige Reserve für eine
Front von etwa 1000 km bestand demnach nur in einer durch Artillerie
und Maschinengewehre verstärkten Kavallerie-Brigade — kein beneidens-
werter Zustand, wenn man täglich darauf gefaßt sein mußte, an weit ent-
legenen Stellen auszuhelfen. Es ist aber doch ein Zeichen dafür, was wir
Deutschen geleistet haben.