188 Der Entente-Ansturm im Herbst 1916
Die Entente hatte alle ihre Kräfte zu einem gewaltigen und, wie sie
meinte, letzten großen Schlage angesetzt, uns in die Verteidigung geworfen
und nun auch noch Rumänien auf den Plan gerufen. Es war zu er-
warten, daß sie ihre Angriffe an der Westfront, in Italien, Mazedonien
und südlich des Pripjet steigerte, während die Rumänen, von Russen ver-
stärkt, nach Siebenbürgen hinein in die offene rechte Flanke unserer Ost-
front oder aus der Dobrudscha nach Bulgarien vorstießen. An irgend-
einer Stelle sollten wir den Todesstoß erhalten. Auch auf den asiati-
schen Kriegsschauplätzen war mit erhöhter Regsamkeit des Feindes zu
rechnen. Wir waren in einen Titanenkampf sondergleichen gekom-
men. Unwillkürlich spannten sich die Muskeln und Nerven, es galt, das
Vaterland aus einer höchsten Gefahr zu retten, wie wir es bei Tannenberg
und um Lodz in einfacheren, aber nicht weniger ernsten Lagen getan hatten.
Wie sehr uns die Kriegserklärung Rumäniens auch wirtschaftlich traf, ver-
mochte ich damals noch nicht voll zu übersehen. Die entscheidenden militärischen
Entschließungen im September sind nicht unter diesem Drucke gefaßt worden.
In diesem entscheidenden Ringen durch Gewaltmaßregeln ungeheuer-
lichster Art von der Welt abgeschlossen, standen Deutschland und seine Ver-
bündeten, auf sich angewiesen, den großen europäischen Militärmächten
gegenüber, die über die Hilfsquellen der übrigen Welt verfügten. Nachdem
der erste Schlag gegen Frankreich 1914 nicht geglückt war, hatte sich die
Lage hingehalten. Es war das eingetreten, was Generalfeldmarschall
v. Moltke vorahnend am 14. Mai 1890 ausgesprochen hatte:
„Wenn der Krieg, der schon mehr als zehn Jahre lang als ein Damo-
klesschwert über unseren Häuptern schwebt, wenn dieser Krieg zum Aus-
bruch kommt, so ist seine Dauer wie sein Ende nicht abzusehen. Es sind
die größten Mächte Europas, welche, gerüstet wie nie zuvor, gegeneinander
in den Kampf treten; keine derselben kann in einem oder in zwei Feld-
zügen so vollständig niedergeworfen werden, daß sie sich für überwunden
erklärte, daß sie auf harte Bedingungen hin Frieden schließen müßte, daß
sie sich nicht wieder aufrichten sollte, wenn auch erst nach Jahresfrist, um
den Kampf zu erneuern. Es kann ein siebenjähriger, es kann ein dreißig-
jähriger Krieg werden..
Die ungeheure Übermacht unserer Feinde an Massen und Kriegs-
gerät mußte mit der Länge des Krieges immer empfindlicher werden.
Auf unserer Seite hatten die beiden ersten Kriegsjahre dem Heere einen
großen Abgang gebracht; die Blüte unserer Wehrkraft lag unter dem
grünen Rasen. Aber das Heer war noch kraftvoll und stark und hatte ver-
mocht, nicht nur des eigenen Vaterlandes Grenzen, sondern auch die seiner
Verbündeten auf dem europäischen Kriegsschauplatze vom Feinde freizu-
halten oder wieder zu befreien.