Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

lbermacht der Entente 189 
  
  
Jetzt war nur an der Ostfront ein Rückschlag eingetreten, weil die 
k. u. k. Armee in ihrem Kampfwert immer mehr nachgelassen hatte. Wir 
hatten ihn aufgehalten. Es sollte uns dies auch noch fernerhin gelingen, 
aber es erforderte neue deutsche Kraft. Österreich-Ungarn zehrte weiter an 
deutschem Blut und zugleich an deutscher Kriegswirtschaft. Es verlangte be- 
sonders Kohle und Eisenbahnbetriebsmittel. Bei Bulgarien und der Türkei 
lagen die Verhältnisse ähnlich, wenn auch in der Beanspruchung von Trup- 
pen nicht so hervortretend — dafür mehr in bezug auf Geld und Kriegs- 
gerät, auch Verkehrsmittel. Überall mußte der Deutsche aushelfen, wir 
taten es; in vielen Fällen ohne die nötige Gegenleistung zu erhalten. 
Wir wurden gewiß mittelbar durch unsere Verbündeten entlastet. 
Ohne sie war der Krieg gar nicht zu denken. Sie taten auch ihr gewaltiges 
Teil, sahen es aber als ihr gutes Recht an, immer wieder mit neuen Forde- 
rungen an uns heranzutreten, obschon ihre Leistungen nicht an die unsrigen 
heranreichten. Je länger der Krieg dauerte, desto empfindlicher mußte 
diese Inanspruchnahme Deutschlands durch unsere Verbündeten für den 
Vierbund werden. Die ganze ungeheure Last dieses Krieges lag auf un- 
seren Schultern. « ; 
Zahlenmäßig hatte sich der Feind seit Kriegsbeginn immer wieder 
verstärkt, Italien war hinzugekommen, alle Staaten hatten Neuformationen 
geschaffen und ihre Hilfsvölker umfassend aufgeboten; jetzt griff Rumänien 
mit 750 000 Mann gegen uns ein. Wir waren trotz des Hinzutretens 
Bulgariens und der Türkei zum Bündnis, trotz aller Neu= und Umorgani- 
sationen, die wir immer wieder vornahmen, demgegenüber in starker 
Unterlegenheit. Wir standen an der Front mit etwa 6 Millionen gegen 
10 Millionen Feinde. 
Die Ausstattung der Ententearmeen mit Kriegsmaterial war auf eine 
bisher unbekannte Höhe gebracht. Die Sommeschlacht bewies es täglich 
klarer, wie weit der Vorsprung des Feindes war. Wurden noch der Haß 
und der ungeheure Kriegswillen der Entente, die Hunger= oder Würge- 
blockade und die feindliche, uns so gefährliche Lügen= und Hetzpropaganda 
in die Rechnung eingestellt, dann ergab es sich, daß wir an einen Sieg nur 
denken konnten, wenn Deutschland und seine Verbündeten an Menschen und 
wirtschaftlicher Kraft hergaben, was sie hergeben konnten, und wenn jeder 
Mann, der ins Feld ging, aus der Heimat ungebrochenen Siegeswillen und 
die Überzeugung mitbrachte, daß das Heer um des Vaterlandes willen siegen 
müsse. Der Mann im Felde, der das Schwerste erlebt, was ein Mensch er- 
leben kann, braucht in den Stunden der Not dringend diesen seelischen Kraft- 
zuschuß aus der Heimat, um an der Front festzubleiben und auszuhalten. 
In der Lage, die der Generalfeldmarschall und ich vorfanden, hielten 
wir es nach unseren ganzen Auffassungen über das Wesen des Krieges und
	        
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