Die Regierung Bulgariens 199
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In die Psyche des bulgarischen Volks war meinerseits Einblick schwer
zu gewinnen. Es schien mir nationalistisch gesinnt und geneigt, für seine
Vormachtstellung auf dem Balkan zu kämpfen.
Radoslawowm ging aus innerer Überzeugung mit Deutschland zu-
sammen. Er stand und fiel mit dem Bündnis. Im Duoechsetzen seiner
Ansprüche an Deutschland und in der Führung seiner großbulgarischen
Politik war er überaus hartnäckig und ließ allen diesbezüglichen Bestre-
bungen freien Lauf, um dann den Volkswillen gegen uns auszuspielen. Er
bedachte dabei nicht, wie sehr er seine eigene Stellung dadurch in etwaigen
Friedensverhandlungen erschweren mußte. Auch er klärte sein Volk nicht
über die Notwendigkeiten des Krieges auf, vielleicht hat er sie auch nicht
richtig erkannt.
Der Zar stand ebenso fest auf dem Boden des Bündnisses. Er war ein
ungemein kluger Mann, aber mehr ein Freund geschickten Verhandelns
als ein Mann der Tat. Er hatte gern mehrere Eisen im Feuer und
glaubte Lösungen hinausschieben zu können. Damit war er im Frieden
bei seinem großen Geschigz, die Bulgaren zu behandeln, ausgekommen,
im Kriege genügte dies nicht mehr. Besonders bedauerte ich, daß er kein
Soldat war und auf seine Armee nicht den Einfluß ausübte, den seine
hohe Stellung von ihm verlangte.
Der Kronprinz Boris, von seinem Vater vorbildlich erzogen, war eine
ausgesprochen soldatische und weit über sein jugendliches Alter hinaus
reife Persönlichkeit. Er besaß klaren Blick für die militärischen Notwendig-
keiten. Die Kommandobehörden in Bulgarien und auch ich haben gern
mit ihm verhandelt. Einen besseren Herrscher kann dieses Volk nie finden.
IV.
Für die Türkei hatte sich die Lage nach dem Abzuge der Entente-
truppen von der Gallipolihalbinsel gebessert. Es war Enver Pascha mög-
lich geworden, Truppen der deutschen Obersten Heeresleitung zur Ver-
fügung zu stellen. Er tat dies in der richtigen Erkenntnis, daß für die
Türkei der Krieg nunmehr auf anderen Kriegsschauplätzen entschieden würde.
Allerdings mußten diese Truppen erst ausgebildet, bekleidet und aus-
gerüstet werden. Das erforderte Zeit. Ende Juli, Anfang August war
das türkische X V. A. K. nach Galizien gegangen, jetzt fuhr eine ottomanische
Division in die Gegend von Warna. Enver entnahm diese Truppen der
Armee des Marschalls Liman Pascha, der noch mit dem Schutze Konstanti-
nopels und der kleinasiatischen Küste beauftragt war.
Die Engländer hatten die Türken aus der Sinaihalbinsel verdrängt.
Sie bauten jetzt mit Eifer an einer Vollbahn und einer Wasserleitung; so-