Kriegsministerien und Militärkabinett 205
Notwendigkeit des Krieges tief in das innere Leben des Volkes eingriff,
machten sich auch die dazu berufenen Männer nicht von dem in der Heimat
wehenden Geiste frei, sie überwanden ihn nicht, sondern ordneten sich ihm
unter und führten damit dem Heere nicht das zu, dessen es so dringend
bedurfte.
Mit den stellvertretenden Kommandierenden Generalen habe ich nur
wegen des Vaterländischen Unterrichts zu tun gehabt. Sie erhielten keiner—
lei Weisung von der Obersten Heeresleitung. Sie waren auf Grund des
Belagerungsgesetzes vollständig selbständig und unterstanden, nachdem der
Reichstag im Herbst 1916 den Militär-Oberbefehlshaber schuf, ihren Kriegs-
ministerien, so wie es in Bayern bereits der Fall war.
Der preußische Kriegsminister gewann dadurch für die siegreiche
Beendigung des Krieges ungemein an Bedeutung. Seine Verantwor-
tung war weiter gewachsen, er hatte jetzt in ausgesprochener Weise sich
gegenüber dem Reichskanzler einzusetzen, daß dieser den Geist des Volkes
daheim festigte, damit der des Heeres nicht litt, und endlich in der Heimat
darauf zu dringen, daß die staatliche Ordnung erhalten würde, wenn an
ihr je gerüttelt werden sollte. Das erwartete das Heer von dem preußischen
Kriegsminister. Die Stellung der stellvertretenden Kommandierenden Ge-
nerale wurde durch die Haltung der Reichsleitung und durch das Gesetz
über den Militär-Oberbefehlshaber herabgedrückt. Das bezweckte auch
dieses Gesetz, das sich an erster Stelle gegen sie und ihr Wirken richtete.
Gewiß war die Vielköpfigkeit in der Auslegung des Vereinsgesetzes und
bei Anwendung der Zensur sowie in vielen anderen Fragen nicht gut und
mußte verwirrend wirken. Eine einheitliche starke Auffassung der Regie-
rungsautorität wäre besser gerbesen. Diese aber fehlte und wurde auch von
dem Kriegsminister nicht herbeigeführt. Die Unsicherheit von Berlin über-
trug sich, je mehr der Reichskanzler den Parteien nachgab, auch auf die
Provinz. Das selbständige Handeln der stellvertretenden Kommandierenden
Generale hörte immer mehr und mehr auf. Das Gesetz, das den Militär-
Oberbefehlshaber schuf und gut sein konnte, wurde in seiner Wirkung ver-
hängnisvoll für uns.
Eine weitere Dienststelle, mit der die Oberste Heeresleitung als
gleichgestellt zu verkehren hatte, war der dienstlich allein dem Kaiser
verantwortliche Chef des Militär-Kabinetts. Diese Behörde arbeitete ernst
und gewissenhaft. Sie gründete ihr Urteil nur auf Berichte der Kom-
mandobehörden. über Armeeführer und Kommandierende Generale hörte
sie auch meine Ansichten. Im übrigen hat die Oberste Heeresleitung mit
Personalien nichts zu tun gehabt, nur für die der Generalstabsoffiziere,
auch für Ordensverleihung an sie trug ich die moralische Verantwortlichkeit.
Gern hätte ich gesehen, wenn an der Spitze des Militär-Kabinetts Männer