206 Der Entente-Ansturm im Herbst 1916
gestanden hätten, die den Krieg scharf aus eigenem Erleben kannten, um
den Bedürfnissen des Offizierkorps gerecht zu werden. So arbeitete es zu
sehr nach der Friedensschablone und holte starke Charaktere nicht ge-
nügend hervor.
Auch in Ordensfragen, deren Bedeutung für die Armee nicht zu unter-
schätzen ist, war der Chef des Militär-Kabinetts zuständig. Er hielt sich
hier ebenfalls an die Eingaben der Armee-Oberkommandos. Leider dauerte
es zu lange, bis die Vorgeschlagenen die Ordensauszeichnungen erhielten.
Nach langem Bemühen gelang es der Obersten Heeresleitung, das Abzeichen
für Verwundete durchzudrücken.
Die Führung des Kolonialkrieges lag in der Hand des Staatssekretärs
des Reichskolonialamts. Schon im Frieden war keine enge Verbindung
zwischen Generalstab und ihm in bezug auf die Kriegführung in den
Kolonien vorhanden. General Graf v. Schlieffen war 1904 erst durch eine
besondere Order mit der Leitung der Operationen in Südwestafrika be-
auftragt worden. Das Reichskolonialamt hat nicht hinreichend für die Ver-
teidigungsfähigkeit der Kolonien gesorgt. Der Nutzen, den Frankreich aus
seinem Kolonialreich für seine Kriegführung gezogen hat, ist gar nicht hoch
genug einzuschätzen. Es hat den Krieg, namentlich im Sommer 1918, in
großem Umfange mit Farbigen geführt. Das hätten wir natürlich nie tun,
wohl aber größeren Vorteil aus unseren Kolonien gewinnen können. Die
deutsche Heldenschar in Ostafrika vermochte starken Feind auf sich zu ziehen.
Dieser war nicht gegen die Türkei verfügbar und mußte hier wohl
teilweise durch andere Truppen ersetzt werden, die schließlich an der West-
front ausfielen. Mit Interesse habe ich die Kämpfe in den Kolonien ver-
folgt und war überrascht, daß in Südwestafrika nicht tatkräftiger gehandelt
wurde. Es durfte nicht so schnell fallen. Woran das lag, vermag ich nicht
zu übersehen. Die geringe Fürsorge der Heimat für die Verteidigungs-
fähigkeit unserer Kolonien kann nicht der einzige Grund sein. In Östafrika
hielt sich im Herbst 1917 zwischen dem Rufidji und der Rowuma und später
auf portugiesischem Gebiet bis zum Ende des Krieges General v. Lettow-
Vorbeck, ein glänzendes Beispiel deutscher Tapferkeit im fremden Weltteil.
Die Oberste Heeresleitung und der Reichskanzler waren gleichgestellt.
Auch hier war die gemeinsame Spitze Seine Majestät. Unser Verkehr mit
der Reichsregierung wurde bald ein sehr reger allerdings auch unerfreu-
licher. Wir fanden nicht das erforderliche Entgegenkommen, nachdem wir
der Regierung mitgeteilt hatten, was die Kriegführung von ihr unbedingt
erwartete, um das deutsche Volk zum Siege zu befähigen.
Die Vertretung der militärischen Interessen in allen außenpolitischen
Fragen während des Krieges und für den Friedensschluß führte gleichfalls
viele Berührungs-, aber auch Reibungspunkte herbei.