Oberste Heeresleitung und Reichsregierung 207
Der Regierungsapparat in Berlin machte einen ungemein schwer-
fälligen Eindruck.
Die Ressorts arbeiteten ohne jede gegenseitige Fühlungnahme zu sehr
nebeneinander her; die linke Hand wußte oft nicht, was die rechte tat. Ein
Bismarck konnte die Ressorts zu gemeinsamer Zusammenarbeit bringen,
den Kriegs-Reichskanzlern blieb dies versagt.
Eine Vereinfachung und eine Besserung in dem gegenseitigen Verkehr
trat seit Februar 1917 dadurch ein, daß der Reichskanzler persönliche Ver-
treter zu der Obersten Heeresleitung entsandte, zuerst Unterstaatssekretär
v. Stein, von dem, so lange er bei uns war, ein frischer Hauch ausging.
Im Herbst 1917 kam Graf Limburg-Stirum zu uns, ein kenntnisreicher
und gewandter Mann von warmer vaterländischer Gesinnung. Der Verkehr
mit ihm war mir eine menschliche Freude. Etwa vom gleichen Zeitpunkt an
war Oberst, später General v. Winterfeldt Vertreter der Obersten Heeres-
leitung beim Reichskanzler in Berlin. Er unterzog sich seiner schweren
Aufgabe mit Hingabe und Takt.
Die Oberste Heeresleitung war gezwungen, auch noch mit einer Reihe
von Reichsämtern und in Verkehrsfragen auch mit den Regierungen der
großen Bundesstaaten zu verhandeln. Ich empfand das Fehlen einer
starken Reichsgewalt schwer. Unsere staatliche Vielgestaltung machte sich
fühlbar. Der Wunsch nach einem Reichs-Kriegsministerium wurde von
einsichtsvollen höheren Offizieren Bayerns geäußert. Ich konnte dem nur
zustimmen und bat sie, diesen Gedanken in ihrer Heimat zu vertreten.
Jetzt steht die Frage nach Vereinheitlichung der Verfassung Deutsch-
lands auf der Tagesordnung, möge sie gefunden werden als ein
weiterer Schritt der Entwicklung unseres Vaterlandes, möge dabei
nicht vergessen werden, was Deutschland Preußen und den Bundes-
staaten schuldet.
Der Obersten Heeresleitung standen in den neutralen Staaten wie
schon im Frieden die Militär-Attachés zur Verfügung. Sie unterstanden
dem betreffenden Gesandten und trieben keine Politik. Sie meldeten mili-
tärische Angelegenheiten unmittelbar an den Generalstab, unter Zustellung
einer Abschrift an den Gesandten. Irgendwelche Schwierigkeiten sind durch
diesen Geschäftsbetrieb nicht entstanden. Die Militär-Attachés arbeiteten
auch im Propagandadienst in Übereinstimmung mit den Gesandten. Sie
empfingen hier die Anweisungen von Oberst v. Haeften.
Die Militär-Attachés in den verbündeten Staaten hatten ähnliche Auf-
gaben zu erfüllen. Auch ihnen lag die Politik fern. Sie waren vornehm-
lich die Verbindungsoffiziere der deutschen Obersten Heeresleitung mit den
Oberkommandos der verbündeten Armeen.