Eindrücke an der Westfront 209
in Lothringen und dem Elsaß. Außerhalb Heeresgruppenverband standen
die 4. Armee unter dem Generalfeldmarschall Herzog Albrecht von Würt-
temberg auf dem rechten Flügel des Heeres und die 7. unter Generaloberst
v. Schubert zwischen den beiden Heeresgruppen. Auf Anderungen wurde
zunächst verzichtet, nur die 7. Armee dem Kronprinzen Rupprecht unter-
stellt und bald darauf für den deutschen Kronprinzen ein besonderes
Heeresgruppen-Kommando gebildet. Die Oberste Heeresleitung hatte jetzt
nur noch an drei Stellen zu befehlen. Die vollständige Neugliederung der
Westfront aber sollte erst nach einer Kampfpause vorgenommen werden.
Der Chef der 4. Armee, General Ilse, und die Chefs der Heeresgrup-
pen Kronprinz Rupprecht und Deutscher Kronprinz, die Generale v. Kuhl
und v. Lüttwitz, gaben einen Überblick über ihre Frontabschnitte. Die
Obersten v. Loßberg in seinem tiefen Ernst und Bronsart v. Schellen-
dorf in seiner lebhaften Weise ergänzten den Vortrag des Generals
v. Kuhl über die Sommeschlacht durch Schilderungen der inneren Her-
gänge. Der bisherige Geländeverlust als solcher schien mir von geringerer
Bedeutung, er konnte noch ertragen werden; aber die Frage, wie solcher in
der Folge mit seiner Begleiterscheinung, der immer größer werdenden
Schwächung unserer Kraft, auszuschließen sei, war von unendlicher Wich-
tigkeit. Ich mußte über die Kräfteverhältnisse ebenso klar sehen wie
darüber, ob unsere taktischen Anschauungen noch die richtigen wären. Das
erste war einfach, das zweite unendlich schwer. In strategisch-taktischen
Fragen platzen die Ansichten genau so aufeinander, wie in allen politischen
und wirtschaftlichen. Es ist hierin eben so schwierig, überzeugend zu wirken;
die Erscheinungen werden erkannt, die Grundursachen aber bestritten. Sie
sind daher schwer zu bessern. Das Beharrungsvermögen der Truppe ist
groß. So war es im Frieden, so blieb es im Kriege.
Dem Bilde, das ich mir über die Verhältnisse bei Verdun und an der
Somme gemacht hatte, mußte ich auf Grund dessen, was ich zu hören be-
kam, ein noch erheblich düstereres Kolorit geben. Der einzig lichte Ton
war die deutsche Heldengröße, die das Schwerste, was es zu erleiden gab,
des Vaterlandes wegen erlitt. Ich kann die ergreifenden Schlachtschilde-
rungen, die ich hörte, nicht wiedergeben; das Schönste, was darüber zu
lesen ist, hat ein junger Offizier des bewährten hamburgischen Regiments
geschrieben. Es ist ein Heldengedicht in Prosa.
Es wurde mir klar, was der Generalfeldmarschall und ich in unserem
neuen Amt auf uns genommen hatten und was wir Führung und Truppe
im Westen auferlegten, wenn wir sie noch schwächten, um im Südosten an-
zugreifen.
Eine gewaltige, durch Flieger gut geleitete Artillerie hatte an der
Somme mit ungeheurem Munitionsaufgebot unsere Artillerie niederge-
Kriegserinnerungen 1914—19. 14