Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

212 Der Entente-Ansturm im Herbst 1916 
  
schießen von Artillerie, bei dem man es doch niemand rechtmachen konnte. 
Das Verständnis für die hohe Bedeutung des Einschießens konnte erst nach 
und nach geweckt werden. 
Als Kampfwaffe gegen Erdziele traten die Flugzeuge damals noch 
nicht so planmäßig auf wie 1917 und namentlich 1918, aber schon in der 
Sommeschlacht wirkten die sehr tief herabgehenden feindlichen Flieger mit 
ihrem Maschinengewehrfeuer auf unsere Infanterie ganz ungemein ein. Es 
waren nicht die blutigen Verluste, sondern der Eindruck, da erkannt und 
gesehen zu werden, wo man bisher Deckung erhofft hatte. Dieses nieder- 
drückende Gefühl war zunächst so stark, daß Gewehr und Maschinengewehr 
oft nicht den Gebrauch fanden, der recht zweckmäßig gewesen wäre. 
Die endgültige Entscheidung jedes Kampfes liegt zu guter Letzt bei der 
Infanterie. Ich war Infanterist, bin es mit Leib und Seele gewesen und 
habe auch meinen Söhnen gesagt: geht zur Infanterie! Sie taten es; erst 
später zog es sie, wie so viele andere jugendliche Männer, aus dem 
Schützengraben zu der freien Betätigung des Fliegers. Der schöne Satz 
des alten Infanterie-Exerzierreglements: „Die Infanterie trägt die Haupt- 
last des Kampfes und bringt die größten Opfer, daher winkt ihr auch der 
höchste Ruhm“ wird immer eine kriegerische Wahrheit bleiben. 
Die Last ist gewaltig, die auf der Infanterie liegt, das hat auch dieser 
Krieg erwiesen. Stilliegen unter feindlichem Trommelfeuer, in Schmutz 
und Schlamm, in Nässe und Kälte, hungernd und dürstend oder zusammen- 
gepfercht hocken in Unterständen, Löchern und Kellern in Erwartung der 
feindlichen übermacht und sich erheben aus sicherer Deckung zum Ansturm 
gegen Verderben bringenden Feind, den Tod im Auge, das ist Mannestat. 
Sie ist nur möglich, wenn Mannszucht dazu befähigt, die getragen wird von 
dem Gefühl der Liebe zum Vaterlande und dem tief im Herzen schlummern- 
den Imperativ der Pflicht. Der Ruhm ist groß. Der höchste Lohn liegt 
aber in dem stolzen Bewußtsein, der Heimat noch mehr als die anderen 
gedient zu haben, liegt in dem Gefühl des durch eigenen Mannesmut er- 
rungenen Sieges. Die Männer, die daheim geblieben sind, können sich das 
nicht oft genug vor Augen halten. Sie haben vor solchem Heldentum 
schweigend das Haupt zu entblößen — statt zu reden! 
Bei der Beurteilung der Leistungen stehen alle diejenigen gleich, die 
ebenso wie der Infanterist gekämpft haben: Pionier, Kavallerieschütze oder 
Feldtelegraphist haben den gleichen Ruhm. Auf sie alle bezieht sich der 
schöne Satz des alten Reglements. 
Ich will durch diesen Ausspruch nicht mindern, was die anderen Waffen 
leisteten. Sie alle wurden von der Obersten Heeresleitung mit gleicher Für- 
sorge und gleicher Achtung anerkannt. Der Flieger hat auch das Gefühl des 
Siegers, die tief befriedigende Empfindung: da ist der Mann etwas wert!
	        
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