Der Infanteriekampf 213
Aber er hat nicht die zersetzenden Einflüsse des Kampfes zu ertragen. Die
Artillerie hatte ähnliches auszuhalten wie die Infanterie. Je länger der Krieg
dauerte, desto mehr steigerten sich ihre Verluste in der Verteidigung sowohl
wie im Angriff, sie wurde immer schärfer der Träger der Kampfes und der
Halt der Front. Trotzdem braucht auch die Artillerie der Infanterie jenen
Satz nicht zu bestreiten. Recht hatte sie, wenn sie sich gegen die Auffassung
wehrte, daß die Infanterie die Hauptwaffe sei. Es war dies leider sogar
in eine für die Artillerie bestimmte Vorschrift versehentlich aufgenommen
worden. Hauptwaffen gibt es nicht. Jede hat ihre Berechtigung, denn alle
sind nötig. Keine kann entbehrt werden.
Das, was ich in Cambrai über unsere Infanterie, ihre Taktik und
Ausrüstung zu hören bekam, war mir besonders bedeutungsvoll. Es war
sicher, die Infanterie focht zu eng und zu starr, sie klebte zu sehr am Ge-
ländebesitz; hohe Verluste waren die Folge. Die tiefen Unterstände und
Keller wurden oft zu verhängnisvollen Menschenfallen. Der Gebrauch des
Gewehrs war in Vergessenheit geraten, die Handgranate zur Hauptwaffe
geworden und die Ausrüstung der Infanterie mit Maschinengewehren und
anderen Feuerwaffen weit hinter den entsprechenden feindlichen Maß-
nahmen zurückgeblieben. Der Generalfeldmarschall und ich konnten zu-
nächst nur bitten, grundsätzlich die vorderen Linien dünner zu besetzen, die
tiefen Stollen zu zerstören und alle Gräben oder Geländeteile aufzugeben,
deren starres Festhalten für die Gesamthandlung bedeutungslos war, aber
besondere Verluste verursacht hätte. Die weiteren Ausbildungs= und Aus-
rüstungsfragen der Infanterie ließen sich nur nach und nach in Angriff
nehmen.
Die vorwiegende Verwendung der Handgranate war dadurch ent-
standen, daß sie im Grabenkrieg aus den Deckungen heraus und diese aus-
nützend geworfen werden konnte, während der Gebrauch des Gewehrs ein
Verlassen der Deckung erforderte. In den Nahkämpfen bei eigenen Unter-
nehmungen und jetzt bei den feindlichen Großangriffen, wo der Mann dem
Manne plötzlich gegenüberstand, war die Handgranate eine handlichere und
auch für den ungeübten Kämpfer leichter zu gebrauchende Waffe als das
Gewehr, das zudem leicht verschmutzte. Das war verständlich; die Infan-
terie mußte aber in der Lage bleiben, sich durch eigene Kraft den Feind vom
Leibe zu halten und ihn aus der Entfernung zu bekämpfen. Kam es erst
zum Kampfe Mann gegen Mann, so war die feindliche überlegenheit an
Zahl zu leicht ausschlaggebend.
Der Infanterist hatte über der Handgranate das Schießen vergessen.
Es war ihm erst wieder zu lehren. Er mußte erneut Vertrauen zu seinem
Gewehr bekommen; dazu gehörte, daß er es beherrschte. Leicht war es,
darauf hinzuweisen, unendlich schwer, hierin wirklich etwas zu erreichen.