Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Der Aufmarsch in Siebenbürgen 221 
  
den Karpathen um den Tataren-Paß und den Kamm südostwärts bis 
Kirlibaba hatten die Russen dank der hervorragenden Haltung der deut- 
schen Truppen keine nennenswerten Gewinne mehr aufzuweisen. Die 
Lage war aber gegen Mitte Oktober noch nicht endgültig gesichert, die 
Angriffskraft der Russen noch keineswegs gebrochen. Ihre Massen- 
anstürme wurden mit gleichbleibendem Mut ausgeführt; wo er fehlte, 
wurde von hinten mit Maschinengewehren nachgeholfen. Der Wille, einen 
Sieg in Wolhynien, in Ostgalizien und in den Karpathen zu erringen, war 
im russischen Hauptquartier noch die treibende Kraft. 
Der Aufmarsch an der Maros zog sich bis Ende September hin. Ein 
rasches Zugreifen der Rumänen hätte ihn über den Haufen werfen können. 
Abgelenkt durch die großen Erfolge des Generalfeldmarschalls v. Mackensen 
beim Einfall in die Dobrudscha und in Erwartung des Karpathenübergangs 
der Russen, bewegte sich die rumänische Armee mit Schneckengeschwindigkeit 
vorwärts. Sie verhielt den linken Flügel von Orsowa bis Hermannstadt, 
wo sich eine stärkere Gruppe befand. Die Hauptkräfte gewannen von 
Kronstadt her und aus dem Grenzgebirge der Moldau in enger Verbindung 
mit dem russischen linken Flügel in ost-westlicher Richtung Raum. 
Es scheint die Absicht Rußlands und Rumäniens gewesen zu sein, in 
geschlossener Linie zwischen Karpathen und Donau in die ungarische Tief- 
ebene herabzusteigen. Dazu mußten aber sehr starke russische Kräfte über 
die Karpathen geführt werden. Der Rumäne hatte durch energischen Vor- 
marsch in unsere Versammlung hinein die Karpathenübergänge von rück- 
wärts her für die Russen zu öffnen. Er tat das Gegenteil. Er nutzte, des 
großen Krieges unkundig, die Gunst der Verhältnisse, die sich ihm immer 
wieder durch das Abdrehen der Divisionen gegen den Dujestr und in die 
Karpathen bot, in keiner Weise aus. Er rückte nur ungemein langsam vor 
und verlor Zeit. Jeder Tag bedeutete für uns einen Gewinn! Auch der 
Russe handelte nicht zweckmäßig; er rannte lieber gegen die Karpathen- 
kämme an, statt durch die Moldau in unsere offene Flanke zu stoßen. Das 
Eingreifen Rumäniens in den Feldzug erfolgte planlos. Eine gemeinsame 
Operation war nicht sichergestellt. 
Nachdem die ersten aus dem Westen für Rumänien bestimmten 
deutschen Truppen nach Ostgalizien und den Karpathen umgeleitet waren, 
hatten wir nach Siebenbürgen Divisionen des Oberbefehlshabers Ost zu 
fahren. Eine Schwächung der Front mußte in Kauf genommen werden. 
Mit dem Eintreffen dieser Truppen in Siebenbürgen war aber kaum vor 
Mitte September zu rechnen. Die schlechten ungarischen Bahnen wirkten 
weiter verzögernd. 
Auch die k. u. k. Truppen trafen nur langsam ein. General v. Conrad 
wagte keine größere Schwächung der Isonzofront. Er machte nur
	        
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