Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

226 Der Entente-Ansturm im Herbst 1916 
  
  
ausführen. Die Entscheidung über diese Bitte mußte fürs erste vorbehalten 
bleiben. 
Während die Vorbereitungen für die Fortsetzung des Angriffs in vollem 
Gange waren, wurden wir am 1. Oktober plötzlich durch die Meldung aus 
Sofia überrascht, daß der Rumäne mit starken Kräften bei Rahovo nord- 
östlich Rustschuk die Donau überschritten habe. Der Donauschutz war nur 
schwach, andere Truppen waren nicht da. Generalfeldmarschall v. Macken- 
sen warf, was er zusammenfassen konnte, dagegen, und der Rumäne sah 
sich genötigt, bereits am 3. Oktober wieder auf das nördliche Donauufer 
zurückzugehen. Die k. u. k. Donauflottille hatte wirksam eingegriffen. Was 
eigentlich die rumänische Heeresleitung mit dieser Unternehmung bezweckte, 
ist nicht klar geworden. Durch sie konnten die Ereignisse in Siebenbürgen 
und der Dobrudscha nicht geändert werden. 
Um Mitte Oktober hatte sich die Gesamtlage gebessert. Sie blieb an 
der Westfront in hohem Maße ernst, aber die Krise war unter gewaltiger 
Anstrengung der dortigen Kräfte überwunden worden. 
An der italienischen Front waren zwei starke feindliche Angriffe ab- 
geschlagen. 
In Mazedonien blieb noch ein Rückschlag zu befürchten. 
Die rumänische Armee war in der Dobrudscha und in Siebenbürgen 
empfindlich getroffen. Die übrige Ostfront stand. 
Der Plan der Entente, uns im Herbste 1916 endgültig zu erdrücken, 
der im August September noch aussichtsreich erschien, war fürs erste 
durchkreuzt. Noch waren die Kämpfe an allen Fronten nicht beendet. 
Ob die feindliche Kraft oder die unfrige länger reichen würde, wußten wir 
damals noch nicht, wie wir es jetzt rückschauend wissen. Rumänien war noch 
nicht geschlagen. Wie sollten wir, was ich nun ganz klar sah, ohne das 
Getreide und Ol Rumäniens leben und Krieg führen, selbst wenn wir die 
galizischen Olgebiete um Drohobytsch vor den Russen gerettet hatten? 
Seit der Feldmarschall und ich in die Oberste Heeresleitung getreten 
waren, hatten wir einen gewaltigen Schritt vorwärts getan, ein zweiter 
blieb noch zu machen; er bestand in dem weiteren Halten der Fronten und, 
um weiter leben zu können, in dem Sieg über Rumänien. Bis dieses Ziel 
erreicht wurde, begann das Jahr 1917. Da aber dachten wir nicht mehr 
an die überstandene Gefahr des großen Entente-Ansturmes 1916, sondern 
sahen mit neuen Sorgen einer überaus ernsten Zukunft entgegen. 
IX. 
Der zweite Schritt, zu dem wir uns um die Mitte Oktober entschließen 
mußten, war ungemein ernst.
	        
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