Die Friedensfrage 243
schlacht und die Beanspruchung der Heimat waren Mittel der Kriegführung
bedeutungsvollster Art. Sie konnten die Entscheidung hinausschieben, falls
es der Regierung gelang, das Volk geschlossen auf den Krieg einzustellen.
Sie konnten aber nie einen günstigen Ausgang des Krieges herbeiführen.
Die Zukunft blieb daher durchaus unklar, auf Zufälligkeiten darf der Soldat
nicht rechnen; so gewannen für uns die Friedens= und die U-Bootfrage
eine außerordentliche Bedeutung. Es handelte sich um Frieden, um eine
Niederlage ohne uneingeschränkten U-Bootkrieg und um die Möglichkeit
eines Sieges durch diesen Krieg, indem wir zur See zum Angriff über-
gingen, während wir zu Lande uns wehrten.
Die Bezeichnung uneingeschränkter U-Bootkrieg ist nicht vollständig
zutreffend, ebensowenig die Umschreibung „rücksichtsloser“ U-Bootkrieg.
Der Reichskanzler beschäftigte sich im September 1916 in seinen Ge-
danken mit einer Friedensvermittlung des Präsidenten Wilson. Eine
solche war in Deutschland an vielen Stellen im höchsten Maße un-
beliebt, da die einseitige Begünstigung der Entente-Staaten durch
Amerika bei uns steigende Bitterkeit hervorgerufen hatte. Es war für
die Staatsregierung nicht leicht, diese Stimmung unbeachtet zu lassen. Der
Reichskanzler trat trotzdem an Seine Moajestät mit dem Vorschlag heran,
den Botschafter Grafen Bernstorff anzuweisen, daß er den Präsidenten
Wilson veranlassen möge, baldigst, jedenfalls noch vor seiner Wiederwahl
Anfang November, den Mächten einen Friedensantrag zu machen. Ich
war damit durchaus einverstanden und innerlich froh, wenn ich auch in
Einschätzung des Vernichtungswillens unserer Feinde dem Vorschlage
gegenüber skeptisch blieb. Ihre Aussichten für das Jahr 1917 waren
so viel günstiger als die unsrigen, daß ich an einem Erfolg des Frie-
densschrittes des Präsidenten Wilson zweifelte, wenn ich auch auf ihn
hoffte. In großer Spannung wartete ich, ob ein solcher Antrag seitens des
Präsidenten im Oktober gestellt würde. Aber der Tag seiner Wiederwahl
im November und der ganze November vergingen, ohne daß er sich dazu
entschloß. Ich rechnete nun nicht mehr mit seiner Vermittlung.
Graf Burian trat jetzt mit dem Vorschlage hervor, der Vierbund möge
selbst tätig vorgehen und seinerseits den Feinden ein Friedensangebot
machen. Ich stand diesem Schritt mit derselben Skepsis gegenüber, aber
der Versuch war zu machen. Wir mußten nur alles vermeiden, was nach
einem Schwächezeichen aussah. Dies hätte auf Heer und Volk drückend
gewirkt und wäre nur ein Anreiz für die Entente gewesen, ihre Anstren-
gungen, uns niederzuschlagen, zu verdoppeln. Ich arbeitete bei diesem
Friedensschritt, soweit mich der Reichskanzler beteiligte, mit. Um beim
Feinde nicht den falschen Gedanken aufkommen zu lassen, daß uns Schwäche
triebe, bat ich, mit seiner Ausführung zu warten, bis der Feldzug in Ru-
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