246 Die Lage um die Jahreswende 1916/17
mit —, dann war seine Führung in unserer Kriegslage militärische Pflicht
dem deutschen Volke gegenüber.
Wie erwähnt, hatten wir uns am 30. August gegen den unein-
geschränkten U-Bootkrieg ausgesprochen, mit dem Hinzufügen, daß wir
die Zeit dazu noch nicht für gekommen hielten. Reichskanzler v. Beth-
mann stellte dies damals fest und fügte hin zu, er würde für die Folge den
Entschluß, den U-Bootkrieg in Form des Sperrgebietkriegs zu führen, von
einer bezüglichen Erklärung des Generalfeldmarschalls abhängig machen.
Der uneingeschränkte U-Bootkrieg würde kommen, wenn der General-
feldmarschall es wünsche. In ähnlichem Sinne sprach sich der Reichskanzler
am 28. September im Reichstage aus. Die Frage der Zweckmäßigkeit des
U-Bootkrieges hatte inzwischen zu schweren Meinungsverschiedenheiten
der politischen Parteien geführt und die Gemüter ungemein erregt:
Während die rechts stehenden Parteien mit großer Lebhaftigkeit für ihn
eintraten, waren die der Linken, die der Regierung nahe standen, ebenso
temperamentvoll dagegen. Durch die Bemerkung des Herrn v. Bethmann
wurde die Oberste Heeresleitung von der Regierung selbst zum ersten Male
in den politischen Kampf zu ihrer Stützung hineingezogen. Ich habe dies
tief bedauert. Das durfte nicht geschehen. Die Oberste Heeresleitung hatte
sich von jeder politischen Betätigung ferngehalten und war auch keineswegs
gewillt, hierin etwas zu ändern. Um so peinlicher war dem Generalfeld-
marschall und mir die durch Herrn v. Bethmann hervorgerufene Bewegung.
Tatsächlich wurde die Oberste Heeresleitung in immer steigendem Maße
für die Führung oder Nichtführung des uneingeschränkten U-Bootkrieges
verantwortlich gemacht.
Anfang Oktober hatten wir uns mit dem Admiralstabschef über den
uneingeschränkten U-Bootkrieg unterhalten und seinen Beginn in Er-
wägung gezogen. Im Verlauf des daraufhin vom Reichskanzler herbei-
geführten Schriftwechsels baten wir am 5. Oktober diesen nochmals um.
Feststellung der Verantwortlichkeit. Der Kanzler führte unter dem 6. Okto-
ber aus, daß die Entscheidung über den uneingeschränkten U-Bootkrieg
zwar an sich ein Ausfluß der Kommandogewalt des Kaisers sei, infolge
seiner Wirkungen auf die Neutralen aber in das Gebiet der auswärtigen
Politik gehöre. Er, der Kanzler, trage daher die alleinige und nicht über-
tragbare verfassungsmäßige Verantwortung dafür. Das Urteil des Gene-
ralfeldmarschalls sei natürlich für seine dereinstige Stellungnahme von ganz
besonderer Bedeutung. Dieser Standpunkt war unanfechtbar. Der Gene-
ralfeldmarschall war gar nicht in der Lage, dem Reichskanzler die Verant-
wortung irgendwie abzunehmen, und hatte auch nie daran gedacht. Ich
teilte seine Auffassung vollständig. Die Feststellung bedeutete aber eine er-
hebliche Anderung gegenüber den früheren Äußerungen des Reichskanzlers