Die Bewertung des U-Bootkrieges 240
auf den Mann bei der Beförderung eines Heeres mit Troß und Nachschub.
Diese Berechnung erwies sich auch bei der Unternehmung gegen Osel im
Herbst 1917 als richtig. Die Betrachtungen führten zu einem für uns
günstigen Ergebnis. Danach wären für den Transport von 1 Million
amerikanischer Soldaten, der auf nicht allzu langen Zeitraum verteilt war,
5 Millionen Tonnen Schiffsraum nötig gewesen. Diese konnten aber bei
der Versorgung der Westmächte auch nicht zeitweise entbehrt werden.
Die wirtschaftliche Bewertung des U-Bootkrieges seitens der Reichs-
regierung war Schwankungen unterworfen. Das Reichsamt des Innern
gewann allmählich, allerdings erst nach Beginn des U-Bootkrieges, ein
günstiges Urteil, dem sich der Reichskanzler anschloß.
Bei meiner Kenntnis vom Kriege und meiner hohen Bewertung des
feindlichen Willens nahm ich die Zahlenangaben der Marine über die vor-
aussichtliche Wirkung des uneingeschränkten U-Bootkrieges nicht buch-
stäblich; ich war mir auch bewußt, daß wirtschaftliche und Verkehrsfragen
besonders schwer einzuschätzen sind. Ich glaubte auf eine entschei-
dende Wirkung wenigstens innerhalb Jahresfrist rechnen zu dürfen,
also bevor Amerika mit seinen Neuformationen auf dem Plan erscheinen
konnte. Bis dahin hoffte ich durch die getroffenen und noch zu treffen-
den Maßnahmen die Lage zu Lande zu halten, falls der U-Bootkrieg
durch Störung des feindlichen Wirtschaftslebens die Leistungen der feind-
lichen Kriegsindustrie beeinträchtigte sowie Munitionstransporte nach
Frankreich verminderte. Hierauf legte ich für die nächsten Monate den
größten Wert.
Unter den tiefen Eindrücken, die ich bei einer Reise an die Westfront
um Mitte Dezember über die Lage daselbst von neuem erhalten hatte,
gab ich diesem Gedanken in einem Telegramm nach Berlin Ausdruck; ich
hatte damals bereits keine Hoffnung mehr auf den Erfolg des Friedens-
angebotes. In längeren Ausführungen, am 23. Dezember, sprach sich der
Generalfeldmarschall über die Notwendigkeit des uneingeschränkten U-Boot-
kriegs gegenüber dem Reichskanzler aus. Dieser erklärte sich am 24. De-
zember zur Einleitung von Besprechungen bereit, sobald unsere Friedens-
aktion durch eine etwaige Antwort der Entente zu einem gewissen Abschluß
gelangt sei. Dabei legte der Reichskanzler in Wiederholung seiner Ausfüh-
rungen vom 6. Oktober seine Stellung nochmals dahin fest, daß der unein-
geschränkte U-Bootkrieg einen Akt der auswärtigen Politik darstelle, für den
er die alleinige und nicht übertragbare verfassungsmäßige Verantwortung
habe. Unsere Auffassung über diese Frage hatte sich bei uns nicht geändert.
Der Reichskanzler hatte seine Verantwortung zu tragen, wir trugen
die unsrige. In einem Telegramm an Herrn v. Bethmann sprach sich der
Generalfeldmarschall zur Wahrung seiner Stellung dahin aus: „ daß