Der Tod des Kaisers Franz Joseph 255
unserer bis an die Zähne gewappneten Volkskraft, daß sie es möglich
machen wird, was den Gegnern heute noch unmöglich dünkt. Ehre, Da-
sein, wirtschaftliche Entwicklungsfreiheit des Reiches müssen unangetastet
aus diesem furchtbaren Ringen hervorgehen.“
Das war ein hehres Bekenntnis und gegenüber dem Vernichtungs-
willen des Gegners ein Aufruf zum Kampf bis zum äußersten. Mochte er
zur Wirklichkeit werden.
V.
Am 21. November 1916 schloß Kaiser Franz Joseph seine Augen zur
ewigen Ruhe. In ihm lag der Zusammenhalt der Völker der Doppel-
monarchie. Neues Leben hat er ihr allerdings nicht zu geben vermocht.
Dazu waren die Ratgeber, die er sich erwählte, nicht stark genug. Er war
ein treuer Freund des Bündnisses gewesen, auch wenn er das Jahr 1866,
in dem Preußen und Österreich um die Vorherrschaft in Deutschland
rangen, nie überwunden hat.
Anfang April 1916 wurde in Kowno das 50jährige Dienstjubiläum
des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg gefeiert. Ich hielt eine kurze An-
sprache und sagte dabei ohne jede weitere Ausführung, daß der General=
feldmarschall in seinem ersten Dienstjahre am Feldzuge 1866 teilgenommen
habe. Kaum waren meine Worte irgendwo gedruckt, als ich ein Schreiben
des Reichskanzlers v. Bethmann bekam, meine Rede wäre in Wien übel
vermerkt, da ich den Feldzug 1866 erwähnt habe. Er bäte mich, die
Wiedergabe zu verhindern. Das war nicht mehr möglich. Von der Auf-
fassung am Hofe in Wien war ich ebenso überrascht wie von dem Briefe
aus Berlin. Der Feldzug 1866 hat einen tiefen Eindruck auf den
Kaiser Franz Joseph hinterlassen. Er verlor in ihm das Vertrauen zu
seiner Armee und hat sich ihr nie wieder mit ganzem Herzen zugewandt,
auch wenn er für sie arbeitete und die alten Traditionen der einheitlichen
Armee hochhielt.
Sein Hinscheiden war ein unersetzlicher Verlust für uns.
Der ermordete Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand ist nicht
der tatkräftige Mann gewesen, für den er so oft gehalten wurde. Er
war tatsächlich von Natur schwankend und unentschlossen und keines-
wegs ein Freund Deutschlands. Seine Majestät unser Kaiser hat sich viel
Mühe gegeben, ihn und seine Gemahlin in deutschfreundlichem Sinne zu
beeinflussen. Sein Tod war tragisch, die Folgen seiner Ermordung wurden
verhängnisvoll; sie haben für Österreich nach vier Jahren Krieg das gezeitigt,
was seine russischen Urheber bezweckten; allerdings ist Rußland darüber
selbst verdorben. Der ermordete Thronfolger wäre auch nicht der Mann
gewesen, um nach dem Tode des greisen Kaisers das Steuerruder der