Kaiser Karl und seine Berater 257
Wege wie der Reichskanzler in Berlin. Er suchte den Frieden, jedoch nur
in Gemeinschaft mit Deutschland. Er war treu, das Ruhmesblatt muß
ihm bleiben. Er erwies sich dabei als warmer und ungemein geschickter
Sachwalter der Doppelmonarchie. Gegenüber seinem Kaiserlichen Herrn
trat er mit ruhiger Sicherheit auf. Trotzdem deckte er den Gnadenakt
des Kaisers an die Tschechen und dessen unklare völkische Politik.
Er blieb im Amte, obschon er den Erlaß nicht billigte und dieser als
ein Zeichen des beginnenden Zerfalls der Doppelmonarchie jeden Frieden
erschweren und die Hoffnungen der Entente auf ihren Sieg festigen mußte.
Ich habe persönlich warme Sympathien für den Grafen empfunden
und mich gern mit ihm unterhalten. Leider betete er den von der
Wilhelmstraße ausgehenden Klatsch über meine „Diktatur“ zu leicht—
gläubig nach. Oft legte ich ihm die ganze Haltlosigkeit seiner Annahme
dar. Sein politisches Bekenntnis vom 11. Dezember 1918 hat mich bei
seiner Auffassung vom Kriege nicht überrascht.
Chef des Generalstabes der k. u. k. Armee wurde General v. Arz für
General v. Conrad, der das Heeresgruppenkommando an der Tiroler
Front bekam. Mein Verhältnis zu General v. Conrad war ein immer
vertrauensvolleres geworden; so sah ich das Scheiden dieses bedeutenden
Generals aus seinem Amt auch persönlich nur mit Bedauern.
Die Beziehungen zu General v. Arz sollten noch innigere werden. Er
war ein überzeugter Freund des Deutschen Reiches und der deutschen
Armee. Während des Sommerfeldzuges 1915 hatte er im Rahmen der
11. Armee das k. u. k. VI. A. K. befehligt und es in engstem Anschluß an
deutsche Truppen in einer Weise geführt, die ihm und seinem Korps
deutsche Wertschätzung einbrachte. Als Oberbefehlshaber der 1. Armee in
Siebenbürgen leistete er mit seiner Armee alles, was bei ihrer Zusammen-
setzung nur denkbar war. Er wirkte für ein gutes Zusammenleben der
in seiner Armee befindlichen deutschen und k. u. k. Truppen, deren
Ausbildung er sich mit Ernst annahm. Vielleicht geistig nicht so elastisch
wie General v. Conrad, war er ein Soldat mit gesunder Auffassung,
der sich bemühte, die k. u. k. Armee zu heben und aus dem Lande das zu
gewinnen, was sie brauchte. Er tat alles Mögliche, ohne indes etwas Aus-
schlaggebendes zu erreichen. Er wuchs, je länger er im Amte war.
General v. Arz nahm sich General v. Waldstätten zum Chef der Ope-
rations-Abteilung, einen befähigten und ehrgeizigen Offizier, der das Ver-
trauen seines Chefs und der k. u. k. Armee verdiente.
Ein gutes Zusammenarbeiten mit dem k. u. k. Oberkommando war
weiterhin gesichert.
Kriegv#erinnerungen 1914—138. 17