Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Das Hilfsdienstpflichtgesetz 261 
  
  
mehr gegeben haben, als sie bisher gaben. Der deutsche Arbeiter hat viel 
geleistet und konnte noch mehr leisten. Wie die durch Mannszucht getragene 
Liebe zum Vaterlande die Truppe in ernster Stunde zu Höchstem befähigt, 
so wird ein Volk über einen langen Krieg hinweg durch straffe Führung und 
klare Erkenntnis der dem Vaterlande drohenden Gefahren aufrecht= und zu- 
sammengehalten. Der Rausch der Stunde verfliegt, das ist natürlich. Zucht 
und Einsicht müssen an seine Stelle treten. Daß dies zu erreichen war, 
unterliegt für mich keinem Zweifel. 
Auch ohne neues Gesetz konnte die Regierung helfen. Belagerungs- 
und Kriegsleistungsgesetz boten genug Handhaben, die Menschenkräfte zu 
erfassen, jedoch mußte man entschlossen sein, sie wirklich anzuwenden; aber 
hierzu fehlte der Regierung der Wille. Die Durchführung dieser Gesetze 
bedeutete zudem reinen Zwang, von dem ich mir nichts versprach, als ich 
die Sache klar übersah. Ich hielt ein Gesetz für besser, hinter dem das ganze 
Volk stand und das auch dem Auslande unsere Entschlossenheit klarmachte, 
durchzuhalten. Dies sagte ich ebenfalls dem Kanzler. 
Endlich, nach zwei Monaten und nach neuem, unendlich vielem, sehr 
unerquicklichem Drängen der Obersten Heeresleitung entschloß sich die Re- 
gierung im November, das Hilfsdienstpflichtgesetz im Reichstage einzu- 
bringen, das am 2. Dezember angenommen wurde. Es war nicht Fisch 
noch Vogel; wir hatten etwas Ganzes gewollt. Der Gesetzentwurf aber 
hatte sich von dem Grundgedanken der allgemeinen Dienstpflicht, den wir 
im September aufgestellt hatten, zu weit entfernt und die Ausnutzung der 
Arbeitspflicht zur größtmöglichen Arbeitsleistung nicht gesichert. Dieses 
Gesetz war in Praxis, vornehmlich durch die Art seiner Ausführung, nur ein 
Wechselbalg, der mit unserer Forderung, das ganze Volk für den Dienst des 
Vaterlandes aufzubieten und dadurch Ersatz für das Heer und Arbeitskräfte 
für Heer und Heimat zu gewinnen, nichts mehr gemein hatte. In dem 
Wortlaut des ganzen Gesetzes erinnert nur der erste Paragraph an das, 
was die Oberste Heeresleitung eigentlich erstrebt hatte. 
Auch die Frau war in die Bestimmungen nicht eingeschlossen; Frauen 
waren genug vorhanden, um Männer in der Arbeit zu ersetzen und sie für 
das Feld freizumachen. 
Trotz alledem habe auch ich zunächst das Gesetz warm begrüßt. Es 
wurde bei Freund und Feind als Zeichen unseres Kriegswillens viel höher 
bewertet, als Ursache dazu vorhanden war. Das mußte im Zusammenhang 
mit unseren Erfolgen in Rumänien stark wirken. · 
Ich habe den Gang der Verhandlungen im Reichstage nur mit Be- 
dauern verfolgt; es war das erste Mal im Kriege, daß ich dazu Gelegen- 
heit und bei meiner Stellung als Erster Generalquartiermeister auch die 
Pflicht hatte. Die Oberste Heeresleitung mußte einen Einblick in den
	        
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