Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

264 Die Grundlage der weiteren Kriegführung und das Kriegsinstrument 
  
biete dachten. Das Kriegsministerium hatte sich mit dieser Frage befaßt. 
Die Verwendung belgischer Arbeiter in Deutschland hatte bereits begonnen. 
Die Oberste Heeresleitung bat den Generalgouverneur, den Wünschen des 
Kriegsministers und der Industrie nachzukommen, und wiederholte diese 
Bitte um so dringender, als zu jener Zeit die Regierung ihren Anträgen 
auf Menschenzuschuß noch nicht einmal in der Form des Hilfsdienstgesetzes 
entsprochen hatte. 
Die Gestellung von Arbeitern nach Deutschland lag im Interesse Bel- 
giens selbst, wo die Arbeitslosigkeit einen hohen Grad erreicht hatte. Sie 
wurde nach Besprechung mit den Zentralbehörden in Berlin erweitert. Bei 
den jetzt eintretenden, anfangs zu umfangreichen Gestellungen kamen 
Härten vor, die besser vermieden worden wären. Sie sind zum großen Teil 
auf die Belgier selbst zurückzuführen, die oft Landsleute aus irgendeinem 
Grunde als arbeitslos bezeichneten, die es nicht waren. Der Generalgouver= 
neur stellte die Härten ab, sobald er sie übersah. Es sind im Laufe der Zeit 
viele belgische Arbeiter nach Deutschland gekommen, ohne daß weitere 
Klagen hörbar wurden. Auch in den besetzten Gebieten zogen wir Belgier 
zu Arbeiten heran. In der belgischen Flüchtlingspresse und in der Entente- 
propaganda erhob sich natürlich ein wildes Geschrei, das von dieser 
Seite auch nur zu erwarten war; daß aber auch bei uns ähnliche 
Weisen erschollen, zeugte von einer großen Unreife des Urteils über 
den Krieg. Die Militärbehörden arbeiteten nicht aus Willkür, sondern aus 
vaterländischer Pflicht. 
Auch aus Polen und den anderen besetzten Gebieten, ebenfalls aus 
denen, die später noch hinzukamen, gewannen wir Arbeitskräfte, indessen 
nicht in dem Umfange, wie es erwünscht gewesen wäre. Wir gingen über- 
all so schonend wie nur möglich vor, wir waren gar nicht dazu angetan, 
mit der stolzen Geste des Eroberers fremde Bevölkerung zu unterdrücken: 
wir waren viel zu objektiv, auch stand unser Sinn nicht danach. 
Für unsere ganze Kriegswirtschaft waren die Gefangenen von aller- 
größter Bedeutung; ohne die große Zahl Russen, die wir im Osten gefangen 
genommen hatten, wäre unser Wirtschaftsleben nicht aufrecht zu erhalten 
gewesen. Demgemäß bedeuteten die Gefangenen, die wir verloren, nicht 
nur eine empfindliche Einbuße an eigener Kraft, sondern auch einen Zu- 
wachs an Arbeitskräften für die Kriegswirtschaft der Feinde. Machten 
wir Gefangene, so war jedesmal zu entscheiden, ob sie in Betrieben 
und zu Arbeiten in den besetzten Gebieten zu verwenden oder der 
Heimat zuzuführen wären. Auch hier ist die Heimat stets weitgehend 
berücksichtigt worden, selbst wenn das Heer bittere Not an Arbeits- 
kräften litt.
	        
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