Erfassung der rumänischen Vorräe 285
das Volksempfinden und die gesamte Volksmoral tief durchwühlt und ge-
schädigt.
Würge= und Hungerblockade sowie feindliche Propaganda, deren Wir-
kungen im Kampf gegen die deutsche Rasse und den deutschen Geist im
engsten Zusammenhange standen, lasteten schwer und, je länger der
Krieg dauerte und sie anhielten, immer drückender auf uns. Die
Blockade wirkte. Die Propaganda gewann in der Heimat günstigen
Boden. Sie wandte sich jetzt unmittelbar an den Mann an der Front, der
nun auch aufnahmefähig geworden war. Blockade und Propaganda be-
gannen nach und nach unsere geistige Kriegsfähigkeit ins Wanken zu bringen
und den Glauben an den Endsieg zu erschüttern; die so berechtigte Sehnsucht
nach dem Frieden nahm Formen an, die an Schwäche grenzten, die unser
Volk zerklüfteten und den Geist des Heeres niederdrückten.
Auf diesem Boden keimten Giftpflanzen. Jedes deutsche Empfinden,
jeder Gedanke an das Vaterland hörte bei vielen auf. Das eigene Ich trat
in den Vordergrund. Der Kriegsgewinnler jeder Art, nicht zuletzt der
politische, der die Not des Staats und die Schwäche der Regierung zur
Erreichung persönlicher und politischer Vorteile ausnutzte, machte sich breit
und breiter. Unsere geistige Kriegsfähigkeit litt unermeßlichen Schaden.
Wir verloren das Zutrauen zu uns selbst.
Der Revolutionsgedanke, den die feindliche Propaganda und der Bol-
schewismus predigten, fand den Geisteszustand der Deutschen vorbereitet
und eroberte sich durch die Unabhängige sozialdemokratische Partei im
Heere und in der Marine Boden. Die Irrlehren gewannen bald in der
breiteren Masse an Zugkraft. Das deutsche Volk in der Heimat und am
Feinde erlitt den Todesstoß.
Als ich Erster Generalquartiermeister wurde, stand Deutschland in
dem Beginn dieser Entwicklung, ihre Eigenart und ihr Weg waren nicht
zu übersehen. Das eine war unverrückbar klar: wir durften dem nicht taten-
los gegenüberstehen.
Gegen die Hungerblockade war jetzt etwas geschehen, in Rumänien
hatten wir sie durchbrochen. Ob wir noch andere Gelegenheit dazu finden
und wie wir sie dann ausnutzen würden, wußte niemand.
Auf die feindliche Propaganda starrten wir, wie das Kaninchen auf
die Schlange. Sie war ausnehmend großzügig und geschickt, arbeitete mit
starken, auf die Massen wirkenden Gedanken, in vollständiger üÜberein-
stimmung mit der Kriegführung und gebrauchte skrupellos alle Mittel.
Ihr hatte das deutsche Volk, das die Kunst und den Wert des Schwei-
gens noch nicht erkannt hatte, durch sein Schreiben, Reden und Handeln in
seiner fehlerhaften Offenherzigkeit selbst den Weg gewiesen, wo sie ansetzen
konnte.