Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

288 Die Grundlage der weiteren Kriegführung und das Kriegsinstrument 
  
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die Kraft des Willens verloren. Wir waren zudem in unserem Denken zu 
ausgesprochen bundesstaatlich geblieben und innerpolitisch zu stark zer- 
klüftet. Wir traten ohne Nationalbewußtsein zu früh in die Welt, wir 
fanden in unserem ganzen, durch fremde Einflüsse genährten weltbürger- 
lichen Sinn nicht den Ausgleich zwischen dem nationalen und inter- 
nationalen Denken und zwischen unseren Interessen, die in der Heimat 
und in der Welt lagen. 
Weltbeherrschungspläne oder Nationalismus der deutschen Regierung 
haben den Frieden vor 1914 nicht gefährdet und nach 1914 nicht gehindert, 
wie es die feindliche Propaganda behauptete. Sie wollte ja auch nicht die 
Wahrheit sagen, sie wollte nur die Geschlossenheit und die Kriegsfähigkeit 
des deutschen Volkes erschüttern und Meinungen verbreiten, die ihr nütz- 
lich erschienen. 
Endlich kam das Schlagwort von dem Selbstbestimmungsrecht 
der Nationen. Ein Problem von scheinbar bestechender Wahrheit, aber 
ohne Vergewaltigung nicht zu lösen, wenn Nationalitäten wie in so un- 
endlich vielen Fällen vermischt wohnen. Das Schlagwort traf Österreich- 
Ungarn mehr als uns, aber auch uns erschütterte es in seiner durch Furcht 
und Haß diktierten Auslegung in der Folge tief und sollte uns tödlich treffen 
infolge der Deutung, die deutsche Männer ihm dem Feinde gegenüber gaben. 
Zuletzt — ganz ausgesprochen von Beginn des Jahres 1918 an — 
wurde neben der politischen die soziale Revolution immer klarer propagan- 
diert. Der Krieg wurde als ein Werk der oberen Zehntausend auf Kosten 
der Arbeiterschaft, der Sieg Deutschlands als ihr Unglück hingestellt. 
Die feindliche Propaganda und der Bolschewismus, der die Welt- 
revolution bezweckt, verfolgten auf deutschem Boden die gleichen Ziele. 
England gab China das Opium, die Feinde uns die Revolution und — 
wir nahmen das Gift an und verbreiteten es, wie die Chinesen das Opium 
verbreiten. 
Während die Propaganda der Entente das deutsche Volk und die 
deutsche Armee und Marine immer machtvoller traf, wußte sie in den 
eigenen Landen und der eigenen Wehrmacht die Kriegsentschlossenheit hoch- 
zuhalten und in den neutralen Staaten gegen uns zu wirken. 
Die Schuld am Kriege, die belgischen Greuel, die Gefangenenmißhand- 
lungen, unsere politische Unmoral und Hinterhältigkeit, unsere Verlogenheit 
und Brutalität, die Willkürherrschaft in Preußen-Deutschland, die Knech- 
tung des deutschen Volkes waren für den Lügenfeldzug unserer Feinde 
gegen uns geschickt erfundene Propagandavorwürfe von großer Stärke in 
der ganzen Welt. Daneben mußten die Schlagworte von dem Kampf der 
Demokratien gegen den Militarismus, die Autokratie und die Junker, von 
dem Kampf für die Zivilisation und für die Freiheit der kleinen Nationen
	        
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