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erwerben. Nur, was in Fleisch und Blut eines in Manneszucht ge—
festigten Mannes übergegangen ist, hält jahrelang fest und überdauert auch
dann noch die zersetzenden Eindrücke des Kampfes und die tiefen seelischen
Einflüsse eines langen Krieges. Unsere gute Friedensausbildung mußte
unsere zahlenmäßige Unterlegenheit ausgleichen, mit der wir in jedem
kommenden Kriege zu rechnen hatten.
In der durch Manneszucht gefestigten Truppe galt es für mich, selbst-
tätige und verantwortungsfreudige Soldaten zu erziehen. Die Mannes-
zucht soll den Charakter nicht töten, sondern ihn stärken. Sie soll ein gleich-
mäßiges Arbeiten aller, unter Zurückstellung jedes Denkens an die eigene
Person, nur auf ein Ziel hin herbeiführen. Dieses Ziel ist der Sieg. Was
von dem Mann in der Schlacht verlangt wird, läßt sich nicht ausdrücken.
Das Erheben zum Sprung im feindlichen Feuer ist eine große Tat. Sie
ist noch lange nicht die schwerste. Welche Verantwortungsfreudigkeit,
welche ungeheure Entschlußkraft gehört dazu, sich selbst und andere in den
Tod zu führen — oder zu schicken! Das sind Handlungen von unendlicher
Schwere, die niemand beurteilen kann, der sie nicht selbst ausgeübt hat.
RNeben der Fürsorge für den Mann und der Förderung der Unteroffi-
ziere, auch für ihren späteren Beruf, war für mich die Weiterbildung des
Offizierkorps und die Erziehung des jungen Offiziers eine besonders
bedeutungsvolle Aufgabe. Das Friedensoffizierkorps bleibt, während die
Offiziere des Beurlaubtenstandes, die Unteroffiziere und Mannschaften
wechseln. Es wird so zum Träger des Geistes im Heere, es muß dessen
große Taten und die Geschichte des Vaterlandes kennen, wie alle Männer
in leitender Stelle sie beherrschen müssen. Nichts läßt sich ohne schweren
Schaden aus dem historischen Zusammenhang herausreißen. Der Offizier,
unterstützt von den Unteroffizieren, wird in ernster Stunde zum Hüter der
staatlichen Ordnung, das sollte von niemand vergessen werden. Die Abge-
schlossenheit des Offizierkorps und im engen Zusammenhang hiermit das
Fernstehen des Offiziers vom politischen Leben hatten hierin vornehmlich
ihren Grund.
Ich suchte meine Offiziere mit dem Wesen des modernen Krieges be-
kanntzumachen. Ich strebte danach, in ihnen zur Erfüllung ihrer schweren
Aufgaben das Selbstbewußtsein zu stärken, das sie dazu gebrauchen, das
sich aber nicht in überhebung äußern darf.
Ich widmete mich mit großem Eifer der Ausbildung des Regiments
und hatte die Genugtuung, daß es am Feinde seinen Mann gestanden hat.
Es war eine tiefe Freude für mich, daß ich im Laufe des Krieges ihm
à la suite gestellt und später auch sein Chef wurde. Bei meinem Abgang
erhielt das Regiment meinen Namen. Ich bin stolz auf das Füsilier-Regi-
ment General Ludendorff.