Bedeutung der Presse 293
unermeßlichen Schaden sie damit ihm und sich selbst zufügte. Die Zügel-
losigkeit und Gesinnungslosigkeit breitester Volkskreise, die Wühlarbeit der
Unabhängigen sozialdemokratischen Partei fanden kein Gegengewicht im
Bürgertum. Es ist eine traurige Ungeheuerlichkeit, daß sonst klar denkende
deutsche Männer sich tatenlos in der Not des Tages die Köpfe verwirren
und sich das nehmen ließen, wofür sie bisher gelebt hatten. Das Bürger-
tum ist damit auch am Verfall unseres Vaterlandes schuldig.
Das Fundament, auf dem unser stolzer Heeresbau ruhte, bekam tiefe
Risse. Die Quelle, die die Kraft der Wehrmacht erneuern sollte, wurde
unklar.
Unsere Kriegsreichskanzler haben nichts getan, um die Schäden zu
heilen und das Volk aufzuklären. Sie hatten keine selbstschöpferischen Ge-
danken, sie haben das Volk nicht zusammengefaßt und geführt wie die
großen Diktatoren Clemenceau, Lloyd George und Wilson. Was die
Oberste Heeresleitung durch vaterländischen Unterricht und durch Über-
tragen unserer Auslandspropaganda auch auf die Heimat geben konnte,
waren schwache Brosamen. Die Seele des deutschen Volkes blieb steuerlos
und führerlos allen auf sie einstürmenden Eindrücken überlassen. Welt-
fremd und betört haschte sie nach Phantomen, die nie greifbar waren. So
war es nur zu verständlich, daß sie sich zu denen hielt, die ihr das heiß Er-
sehnte, wenn auch in verhängnisvollem Verkennen oder in fluchwürdiger
und verbrecherischer Absichtlichkeit in Aussicht stellten und Männer nicht
verstand, die dies gefahrvolle Tun klar erkannten und in heißer Sorge um
unsere Zukunft und in heiliger Liebe zum Lande unserer Väter immer von
neuem das äußerste forderten. Es war ein tiefes Verhängnis, daß diese
Männer sehr bald zu „Kriegshetzern“ wurden, obschon auch sie den Frieden
heiß ersehnten.
Die Presse war ein genaues Abbild des das deutsche Volk zerklüften-
den Parteigetriebes und seiner Seelenwandlung während des Krieges.
Nur ein Teil der Presse blieb sich selbst getreu. Ein anderer nahm, sei es
aus Idealismus, sei es aus parteipolitischen Rücksichten oder gar aus reinem
Geschäftssinn, die Weltverbesserung, die sich die Anhänger des Verständi-
gungsfriedens erdacht hatten, als feststehende Tatsache an und rückte von
seinen Gedanken aus dem Jahre 1914 ab. Endlich gab es auch Zeitungen,
die sich ihrer Haltung im Herbst 1914 und aller Gedanken an einen guten
Frieden schämten. Es schien ihnen peinlich, an solche männlichen Gefühle
erinnert zu werden. Sie verleideten dem Deutschen selbst während dieses
Krieges sein Vaterland und taten alles, um den Glauben an deutsche Kraft
zu zerstören. Dazwischen mischten sich Fehderufe gegen unsere staatliche
Autorität und Ordnung, denen sich die Kampfansage gegen unsere Gesell-
schaftsordnung anschloß. Mit tiefem vaterländischen Schmerz sah ich diese