Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

310 Die Grundlage der weiteren Kriegführung und das Kriegsinstrument 
  
Der gute, aber so oft angegriffene Friedensoffizier fehlte, ihn deckte der 
grüne Rasen. In der kurzen Kriegszeit war ein Offiziernachwuchs mit gleich 
hohen Eigenschaften und gründlichen Kenntnissen und mit solchem Verant- 
wortungsgefühl seinen Leuten gegenüber, wie ihn die lange Friedenszeit 
geschaffen hatte, nicht zu erziehen. Eine glänzendere Rechtfertigung konnte 
unser ganzes Heersystem gar nicht finden, als sie dieser Krieg gebracht hat. 
Ein bekannter sozialdemokratischer Abgeordneter, der mich in Kowno als 
Zeitungsberichterstatter aufsuchte, betonte mir gegenüber besonders, wie 
sehr er sein Urteil über die aktiven Offiziere ändern müsse. Sie sorgten mit 
tiefem Verständnis und großer Hingabe für den Mann, den Offizieren des 
Beurlaubtenstandes fiele dies schwerer. Ich war erfreut über dies treffende, 
offene Eingeständnis. 
Unter diesen Verhältnissen hätte mehr davon Gebrauch gemacht 
werden müssen, tüchtige Friedensunteroffiziere zu Offizieren zu befördern. 
Dies geschah stellenweise. Mein früherer Regimentsschreiber in Düsseldorf 
war bereits im Herbst 1914 Offizier im Feldregiment geworden. 
Bei der ungenügenden Ausbildung und der mangelnden Erfahrung 
der Kompagnieführer, namentlich für den inneren Dienst, trat der Batail- 
lonskommandeur schärfer in die Erscheinung als im Frieden. Aber die 
Bataillonskommandeure waren sehr oft Offiziere des Beurlaubtenstandes, 
die naturgemäß gerade für den inneren Dienst keine vertieften Kenntnisse 
besaßen, wenn sie auch durch ihr höheres Lebensalter sicherer wirkten. 
Auch diesen Herren mutete der Krieg bei ihren vorgeschrittenen Jahren ganz 
Außerordentliches zu, wenn sie immer wieder während der Abwehrschlachten 
in vorderster Linie eingesetzt werden mußten. Gesundheit und Nerven- 
kraft wurden auch bei ihnen ungeheuer beansprucht. Als Führer im Kampf 
haben ebenso wie die aktiven Bataillonsführer auch die Offiziere des Be- 
urlaubtenstandes Vortreffliches geleistet. 
Den Regimentskommandeuren lagen die vielseitigsten und schwierig- 
sten Aufgaben ob; sie trugen unmittelbar und überall die Verantwortung 
für ihre Truppe und waren der höheren Führung über Auftreten und 
Stimmung, Erfolg und Nichterfolg, Gedeih und Verderb jedes einzelnen 
Angehörigen ihres Verbandes Rechenschaft schuldig. Die Persönlichkeit, das 
Wollen, das Können des Kommandeurs spiegelte sich in der äußeren Hal- 
tung und dem inneren Gehalt ihrer Truppe, insbesondere des Offizier- 
korps, wider. Er mußte seine Offiziere und Mannschaften mit. seinem 
Geiste durchdringen; er war ihr Vorbild und ihr Halt, ihr treusorgender 
Berater und Freund in Zeiten der Ruhe wie im Kampf. 
Er konnte im Schützengrabenkrieg auf Truppe und Offizierkorps 
nur schwer einwirken, drückte ihnen schließlich aber doch seinen Stempel 
auf. Der starke Abgang an Regimentskommandeuren infolge Verwun-
	        
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