312 Die Grundlage der weiteren Kriegführung und das Kriegsinstrument
Leben möglichen Umfange. Zurückstehen und rastloses Schaffen waren von
jedem Generalstabsoffizier zu fordern.
Die Auswahl und Ausbildung der Generalstabsoffiziere waren schwer.
Ich nahm nur Offiziere, die den Frontdienst kannten. Die eingehende
Friedensschulung ließ sich nicht durch Kriegserfahrungen und den Unter-
richt ersetzen, der den Generalstabsoffizieren in besonderen Lehrkursen bei
Sedan zuteil wurde. Zu der Obersten Heeresleitung kamen auch
Klagen aus der Truppe, namentlich über ihre Jugend, aber im allgemeinen
waren sie angesehen. Der Generalstab gebrauchte zahlreiche Offiziere, die
dadurch der Truppe entzogen wurden. Ich mußte jüngere Herren nehmen,
damit nicht die Truppe zu viele Offiziere verlor, die zu Kommandeuren
geeignet waren. Ich habe viele kluge, aufrechte und mannhafte Charaktere
unter ihnen angetroffen, die ihr Handwerk verstanden und es mit Takt
verrichteten. Der vorher erwähnte sozialdemokratische Führer bezeichnete
mir gegenüber den Generalstabsoffizier, auch in Abänderung früherer
Ansichten, als die Seele der Kriegführung. So war es auch.
Nach dem Kriege ist mir gesagt worden, der Generalstab habe mir aus
persönlichen Gründen nicht richtig gemeldet und die Lage dauernd zu günstig
dargestellt. Diese Behauptung entspricht nicht den Tatsachen und entwürdigt
den Generalstab, dem die Armee so unermeßlich viel zu danken hat.
Ich habe nicht dem Generalstabsoffizier, sondern den Offizieren
stets mein volles Augenmerk zugewandt, sie waren für mich immer
das Rückgrat der Armee. In einem meiner letzten Entwürfe vom Oktober
1918 hielt ich den Offizier für berufen, an dem Wiederaufbau des Landes
entscheidend mitzuwirken.
Unsere Offiziere haben ihre Schuldigkeit getan. Ihre hohen Verluste
legen ein beredtes Zeugnis dafür ab. Daß viele Offiziere zu unerfahren
waren, daraus kann ihnen ein Vorwurf nicht gemacht werden, das lag
einzig und allein in den Kriegsverhältnissen und in den ungeheuren Ab-
gängen begründet. Auch diese unerfahrenen Offiziere wußten tapfer in den
Tod zu gehen. In Kampf, Not und Gefahr rief der Soldat immer nach
seinem Offizier, auch wenn er ein blutjunges Menschenkind war, und sah
auf ihn. Mögen auch Offiziere nicht den richtigen Verkehrston mit den
Untergebenen gefunden, mögen sogar einige ihnen gegenüber schwer gefehlt
haben — das Verhältnis des Offizierkorps in seiner Allgemeinheit wird
dadurch nicht berührt. Es war so, wie es bei den Kriegsverhältnissen nur
sein konnte.
In der langen Zeit des Stellungskrieges hatte die Bevormundung der
niederen Führer bedenkliche Fortschritte gemacht. Dies war ein ungemein
bedauerlicher Auswuchs, der in den vielen zur Verfügung stehenden Fern-
sprechverbindungen, zum Teil aber auch in der Unerfahrenheit unterer