Kriegserklärung Amerikas 329
durch die Brille der Entente-Propaganda an. Die Bevölkerung deut-
scher Abstammung besaß nur geringen Einfluß. Das Ausspielen ihrer Her-
kunft gegen ihr neues Vaterland, wie es von uns eine Zeitlang geschah,
war wenig geschickt und mußte abstoßend wirken. über die Haltung der
irischen Bevölkerungsteile habe ich Klarheit nicht gewonnen. Die Unter-
drückung dieses unglücklichen Landes ließ die Vereinigten Staaten kalt.
Schon die Antwort Wilsons auf den Brief des Kaisers vom Herbst
1914, in dem dieser das Gerechtigkeitsgefühl Amerikas für die belgischen
Greuel anrief, gab zu denken.
Ihre wirtschaftlichen Interessen führten die Vereinigten Staaten immer
inniger auf Seite der Entente. England hatte seine Stellung als erste Ka-
pitalmacht an sie abgetreten. Die Entente war ihnen tief verschuldet. Deren
Niederlage hätte eine Einbuße für sie bedeutet.
Die Haltung der Vereinigten Staaten in der Munitionslieferungsfrage
ließ keinen Zweifel an der einseitigen Auffassung ihrer Neutralität zu. Die
Durchführung der völkerrechtswidrigen Ungeheuerlichkeiten Englands zur
See war nur möglich, wenn Amerika sie gestattete. Bei einer Besprechung
im Auswärtigen Amt, einige Jahre vor dem Kriege, wurde mir gegenüber
ausgeführt, daß Amerika solchen Maßnahmen nie zustimmen würde. Wir
rechneten bestimmt mit unbeschränkter Einfuhr durch Holland.
In der Tat erhob die amerikanische Regierung Einspruch gegen die
Willkür der englischen Seekriegführung.
In ernstem Tone war die Protestnote der Vereinigten Staaten
vom 30. März 1915 gehalten. Sie stellte fest, daß die sogenannte
englische Blockade „eine fast unbedingte Verneinung der souveränen
Rechte der jetzt im Frieden lebenden Nationen sei“, und schließt mit
dem Hinweis, „daß gegenüber den augenblicklichen Feinden Großbritan=
niens eine Duldung des englischen Vorgehens die Annahme einer unneu-
tralen Haltung bedeuten würde, die mit den unter den gegenwärtigen Um-
ständen vorliegenden feierlichen Verpflichtungen der Regierung der Ver-
einigten Staaten unvereinbar sei“. Diese Erklärung war deutlich. Eine
zweite amerikanische Note vom 5. November 1915 hebt in Schärfe hervor,
daß die sogenannte Blockade vom 11. März desselben Jahres als ungesetz-
lich, unwirksam und daher unrechtmäßig bezeichnet werden müsse. Beide
Einsprüche erfuhren eine glatte Abweisung von seiten Englands. Die
Regierung der Vereinigten Staaten nahm sie hin. Nach ihrem eigenen
Urteil bewahrte sie fast zwei Jahre hindurch eine unneutrale Haltung gegen-
über Deutschland.
Botschafter Graf Bernstorff urteilt über diese Tatsache in einer Denk-
schrift an Regierung und Volk der Vereinigten Staaten, nach der „Times“
vom 13. April 1915, wie folgt: