352 Der Entente-Angriff im ersten Halbjahr 1917
Die Geschichte dieses Jahres nahm einen ganz anderen Gang: Die
Westfront hielt sich, der U--Bootkrieg brachte keine Entscheidung, aber Ruß-
land brach zusammen. Wir erreichten an der Östfront einen Zustand, der
sich zwischen Krieg und Frieden bewegte. Damit trat die Möglichkeit ein,
an die niemand vor dem Herbst 1917 denken konnte: die Entscheidung
des Krieges im Jahre 1918 auf dem Lande durch einen Angriff zu erstreben,
der erfolgreich sein mußte, wenn der U-Bootkrieg wenigstens bis dahin die
Tonnage so gemindert hatte, daß eine Überführung der amerikanischen
Neuformationen in schneller Folge nicht mehr möglich war, oder wenn er
die feindlichen Transportschiffe auch nur teilweise traf. Dieses mußte nach
den von der Marine gemachten Angaben erwartet werden.
III.
Die Oberste Heeresleitung begann mit dem großen Ententeangriff in
Frankreich, an der Isonzofront und in Mazedonien für Mitte April zu
rechnen. Ich war von Kreuznach aus, wohin wir Ende Februar über—
gesiedelt waren, häufig an der Westfront und hatte mit den Heeresgruppen-
und Armee-Oberkommandos, auch mit den an den gefährdetsten Stellen
stehenden Generalkommandos die Lage besprochen und taktische Ansichten
ausgetauscht.
Die Heeresgruppen Kronprinz Rupprecht und Deutscher Kronprinz
wurden an Divisionen, Artillerie und Munition verstärkt und erhiel-
ten auch alles das zugeführt, dessen sie zunächst für siegreiche Ab-
wehr bedurften. Wo Münsche zu erfüllen waren, half ich aus, so
gut es ging.
Die 6. Armee hatte den Wunsch nach einer Stellungsberichtigung durch
einen örtlichen Vorstoß bei Souchez zwischen Lens und Arras und bereitete
ihn Anfang April vor. Am 6. April war für mich kein Zweifel, daß ein
großer englischer Angriff bei Arras unmittelbar bevorstand. Auf die
Unternehmung bei Souchez wurde verzichtet. Ich bat die Heeresgruppe,
die Reserven durch die 6. Armee an das Kampffeld näher heranzuziehen.
Die letzten Angriffe bei Verdun im Oktober und Dezember hatten von
neuem die alte Wahrheit gelehrt, daß Reserven zur Schlacht dicht heran-
gehören. Die „Abwehrschlacht"“ hatte daher vorgesehen, daß auf den an-
gegriffenen Fronten an vielen Stellen in zweiter Welle „Eingreifdivisionen“
bereitgestellt würden, die dem in die vorderen Linien einbrechenden Feind
entgegengehen und ihn zurückwerfen sollten.
Die Divisionen der zweiten und dritten Welle wurden von der 6. Armee
zwar vorbewegt, aber am 8. nicht nahe genug herangeführt. Am 9. traf die
Armee nach nicht langer, aber ungemein starker Artillerievorbereitung ein