362 Der Entente-Angriff im ersten Halbjahr 1917
General v. Lyncker abgesandt war. Gleichzeitig traf ein dringendes
Telegramm des Kriegsministers ein, der in Rücksicht auf unsere militärische
Lage einen nochmaligen Vortrag des Generalfeldmarschalls in Berlin für
nötig hielt. Auch der Kaiser wünschte uns zu sprechen.
Inzwischen hatte der Kronprinz am 12. vormittags eine Rücksprache
mit den Parteiführern des Reichstags, die sich der Mehrzahl nach für so-
fortigen Kanzlerwechsel erklärten oder ausführten, daß ihnen an einem
Verbleib des Kanzlers nichts liege. Für ihn trat niemand ein.
Auf Vortrag des Kronprinzen hin entschloß sich nunmehr der Kaiser,
ein erneutes Abschiedsgesuch des Reichskanzlers v. Bethmann anzunehmen.
Als wir am 13. früh in Berlin eintrafen, war die Entscheidung des
Kaisers bereits gefallen. Ich hoffte, daß ein Mann die Regierungsgewalt
übernähme, der die Kräfte des deutschen Volkes zum einheitlichen Handeln
zusammenfassen würde.
Der Generalfeldmarschall und ich waren bei unserer ersten Anwesen-
heit in Berlin am 7. Juli bereit gewesen, Mitglieder des Reichstags im
Generalstabsgebäude in zwangloser Form Aufklärung über unsere Kriegs-
lage zu geben. Es lag mir daran, beruhigend zu wirken. Diese Besprechung
fand nun am 13. nachmittags statt. Vor Beginn der Sitzung sprachen auch
Staatssekretär Dr. Helfferich und Unterstaatssekretär Wahnschaffe sehr er-
regt mit mir über die Möglichkeit der Friedensresolution.
Unser Verharren in der Verteidigung das erste halbe Jahr 1917 hin-
durch, die verschiedenen Mißerfolge bei Arras, im Wytschaete-Bogen und
in Galizien, wo wir noch nicht angegriffen hatten, der bisher nicht ein-
getretene entscheidende Erfolg des U-Bootkrieges und unsere ernste Ver-
pflegungs= und Rohstofflage hatten starke Besorgnisse hervorgerufen. Hier-
über sollte gesprochen werden. Alle Welt befand sich aber unter dem Ein-
druck der vom Reichstage unter Mitwirkung des Grafen Czernin beab-
sichtigten, vielleicht auch von ihm veranlaßten Friedensresolution. So
entstand in Berlin die an sich vollständig irrtümliche Meinung, wir wären
zur Teilnahme an der Beratung der Friedensresolution eingetroffen. Tat-
sächlich kamen auch die Abgeordneten immer wieder auf sie zurück.
Wir faßten unsere Auffassung der Lage etwa dahin zusammen, daß
sie zu Lande ernst, aber gesichert sei. Wir müßten einfach durchhalten, da
unsere Feinde den Frieden nicht wollten. Die Munitionsversorgung habe
sich gebessert, und Rohstoffe wären genügend vorhanden. Über die bevor-
stehenden Operationen in Galizien wurden der Geheimhaltung wegen und
weil ihr Verlauf gar nicht vorauszusehen war, keine Angaben gemacht. Auf
den Erfolg des U-Bootkrieges vertrauten wir, auch wenn er bisher
nicht die entscheidende Wirkung gehabt hatte, die wir erhofften. Die Mög-
lichkeit des Transportes des Amerikaner-Heeres nach Frankreich wurde