Der vaterländische Unterricht 369
und gründeten die „Vaterlandspartei“. Ich habe in keinen Beziehungen
zu ihr gestanden. Ihr Wirken war mir aber im Interesse der Kriegführung
hochwillkommen; daß sie in ihren Zielen zu weit ging, schadete nichts.
Kriegsstürme sorgen schon dafür, daß Bäume nicht in den Himmel wachsen.
Ich begann zu hoffen, daß durch die Vaterlandspartei nun doch etwas
Gutes erreicht werden könnte. Dies Hoffen war von kurzer Dauer. Auch
die Vaterlandspartei wurde in das Gebiet der inneren Politik gezogen:
wir trieben eben nur innere statt Kriegspolitik. Der Schwung der Vater-
landspartei — mag auch ihr Name kein glücklicher und auch sonst bei ihrer
Gründung dies und jenes der Sache nicht vorteilhaft gewesen sein —
wurde durch ihre Gegner und die Regierung gebrochen. Graf Hertling
folgte hierbei nicht nur den Mehrheitsparteien, es entsprach dies zu meinem
Erschrecken seinen ureigensten Anschauungen. Statt der Kriegführung
Bundesgenossen zuzuführen, nahm die Regierung ihr solche, ohne selbst
Ersatz zu geben. Es war wirklich so: der Herrgott im Himmel verließ sein
deutsches Volk, weil es sich selbst verlassen hatte.
Mir lag daran, persönlich einen Einblick in den vaterländischen
Unterricht zu gewinnen. Ich ließ deshalb in Kreuznach von dem Auf-
klärungsoffizier aus Saarbrücken einen Vortrag halten, wie er es in der
breiten Offentlichkeit tat. Der Vortragende, Leutnant Schmetzer, schil-
derte die Folgen eines unglücklichen Krieges für unsere Arbeiter beson-
ders ergreifend. Er zeigte, wie sie arbeits= und brotlos oder Sklaven
des internationalen Kapitals würden. Ich kann es nur aussprechen, wir
alle, die wir dem Vortrage zuhörten, waren bewegt. Ich glaubte, er
böte allgemeines Interesse, namentlich auch für den Staatssekretär des
Auswärtigen Amtes, und ließ ihn in dessen Gegenwart wiederholen. Leider
haben sich die Hoffnungen, die ich daran knügpfte, nicht erfüllt.
Von den durch ihren täglichen Dienst voll in Anspruch genommenen
Frontoffizieren, insonderheit von den jugendlichen Kompagnieführern, war
nicht vorauszusetzen, daß sie dem vaterländischen Unterricht genügendes Ver-
ständnis entgegenbringen würden. Er sollte deshalb von Offizieren geleitet
werden, die den Pulsschlag der Heimat und des Heeres fühlten und es
besonders verstanden, sich in die Gedankengänge der Soldaten an der Front
hineinzuleben. Sie sollten sich wieder an hierzu befähigte Offiziere, Unter-
offiziere und Mannschaften wenden, auch Männer aus der Heimat
heranziehen. Der Unterricht stellte eine vollständig neue Aufgabe
dar, er hatte in der Armee selbst Mißtrauen und viele Schwierigkeiten zu
überwinden. Auch war die verständnisvolle Auswahl der Aufklärungs-
offiziere nicht leicht. Es mußte viel Zeit vergehen, ehe sich alles einlebte.
Auch nach Einrichtung des vaterländischen Unterrichts blieb ich mit
den Armee-Oberkommandos über den Geist und die Stimmung des Heeres
Kriegserinnerungen 1914—18. 24