372 Der Entente-Angriff im ersten Halbjahr 1917
lungszwecken heranzuziehen; das alte deutsche Land sollte hierdurch endlich
wieder deutschen Charakter erhalten. Ein weites Arbeitsgebiet von höchster
nationaler Bedeutung tat sich auf. General Hahndorff nahm sich dieser
Fragen mit weitem Blick an. Gemeinnützige Siedlungsgesellschaften,
denen die erfahrensten Kreise aus Deutschland zur Verfügung standen,
wurden geschaffen und gingen sofort an das Werk. Damals ereiferten sich
die Gemüter über die Siedlungsgesellschaften. Wie richtig der Grund-
gedanke war, sollte die Zukunft beweisen. Eine der ersten Maßnahmen
der republikanischen Regierung war der Entwurf eines Ansiedlungs-
gesetzes, das in seinen Grundlinien auf den von der Obersten Heeresleitung
durch Professor Ludwig Bernhard entworfenen Verordnungen für Kur-
land beruht. Seiner Verwirklichung stehen jetzt allerdings die außer-
ordentlichen Preissteigerungen und die Unmöglichkeit, Baustoffe zu beschaffen,
entgegen. Auch in der Kriegsfürsorge hat die Revolution Wasser in den
Wein gegossen und nur genommen, statt zu geben. Geld ist verschleudert
worden, der verdiente Soldat ist leer ausgegangen.
Wir sorgten auch für die im Kriegsdienst befindlichen Studenten und
höheren Schüler, deren wirtschaftliche Zukunft immer weniger gesichert
erschien. Von ihrer Förderung erhoffte ich einen besonderen Nutzen für
unser Vaterland. Der preußische Kultusminister Dr. Schmidt arbeitete mit
seinem warmen Empfinden führend mit.
VIII.
Außer der Kriegführung und den damit zusammenhängenden großen
Fragen lag mir in Kreuznach noch recht viel anderes zu tun ob, auch an-
scheinend Unwichtiges, aber doch ein Glied des Ganzen. Das Leben hatte sich
hier so eingespielt wie in den früheren Hauptquartieren. Der Feldmar-
schall, andere Herren und ich wohnten in einer Villa, die schon Kaiser Wil-
helm I., jenen großen Monarchen und Menschenkenner, beherbergt hatte,
unter dessen Zepter Deutschlands Traum nach Einigkeit verwirklicht
wurde. Unsere Geschäftszimmer lagen im Oranienhof. Der Weg dorthin
von unserer Villa war kurz. Die regelmäßigen Gänge boten vielen mir
wohlwollenden Menschen Gelegenheit, mich durch einen Gruß und auch
durch Blumen zu erfreuen. Sonst hielt ich mich in meinem Leben stets
abseits, weil — ich die Menschen kenne.
Mein täglicher Erholungsgang führte mich nach dem Rosengarten ober-
halb der Stadt oder auch nur in die Anlagen beim Oranienhof, selten wo
anders hin. Im Frühjahr 1918 wurden dieser schöne Rosengarten und der
Garten vor dem Oranienhof in wenigen Stunden durch reißendes Hoch-
wasser zerstört. Wie die Revolution im Herbst über Deutschland kam, so