Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Kreuznach 373 
  
ging die Flut im Frühjahr über Kreuznach. Das in langen Jahren mühsam 
von der Stadt Aufgebaute wurde in wenigen Stunden vernichtet. Das 
Niederreißen ging entsetzlich schnell. Das Aufräumen der Gärten und 
Häuser und das Beiseiteschaffen des Schlammes und Morastes begannen 
sofort, aber es dauerte lange, lange Zeit, und die Spuren der Hochflut 
blieben allerorts zurück. War das ein Vorzeichen gewesen? · 
Viele Gäste kamen und gingen. Für alle mußten trotz meiner un— 
geheuren Arbeitslast Zeit und Worte gefunden werden. Mit den Vertretern 
des preußischen und auch des bayerischen Kriegsministeriums waren Be- 
sprechungen über die Erhaltung und Steigerung der Kampfkraft des Heeres 
nötig. Der Geist in der Heimat und die Ersatzfrage verschwanden nicht von 
der Tagesordnung. Auch Fragen der Zukunft des Heeres wurden behandelt. 
Die Abrüstungsgedanken eilten der Weltordnung ebenso voraus, wie der 
Gedanke des Verständigungsfriedens. Mir als praktisch denkendem 
Mann schien eine Abrüstung vor Anderung der Weltordnung ebenso un- 
möglich wie den demokratischen Regierungen Englands, Frankreichs und 
der Vereinigten Staaten. Die Verpflegungssorgen und die anderen 
Sorgen der Heimat traten oft an mich heran. Es wurden mit einem Wort 
alle Grundlagen der Kriegführung unausgesetzt bearbeitet, immer wieder 
überprüft und, soweit es in meiner Macht stand, vervollständigt oder ihre 
Sicherstellung bei der Reichsregierung beantragt. Mit welch traurigem 
Ergebnis, das habe ich in der wichtigsten Frage, der der geistigen Kriegs- 
fähigkeit des deutschen Volkes, gezeigt. 
Auf kriegspolitischem Gebiet lag mir vornehmlich die Behandlung der 
Dobrudscha, des Gebiets des Oberbefehlshabers Ost und Elsaß-Loth- 
ringens ob. 
In der Dobrudscha ging der Kampf der Bulgaren gegen die deutsche 
Etappenverwaltung mit all seinen Begleiterscheinungen weiter. Im 
Juni war der Zar mit Radoslawow in Kreuznach. Radoslawow führte 
nun selbst den Vorstoß, um das Etappengebiet in bulgarische Verwaltung, 
d. h. wie er damals hoffte, die Dobrudscha an Bulgarien zu bringen. Es 
wurde wieder einmal viel hin= und hergeredet. Ich zog auch die Aus- 
nutzung der reichen serbischen Kohlenfelder für die Kriegswirtschaft des 
Vierbundes durch Deutschland in den Bereich der Verhandlungen; es 
wurden Aufzeichnungen gemacht, aber dabei blieb es. Es war eine 
Zeitvergeudung, während meine Gedanken durch die Vorgänge an der 
Front beansprucht wurden. Es bedeutete dies eine fast unerträgliche 
Zumutung durch den ungeheuren Zwang, unter den ich mich häufig 
selbst stellen mußte. Solche harte Selbsterziehung wäre vielen gut. 
Im vorliegenden Fall gelang es der Obersten Heeresleitung, den bulgarischen 
Angriff auf die Etappenverwaltung abzuschlagen, die Frage wenigstens.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.