Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

384 Die Schlacht in Flandern und der Zusammenbruch Rußlands 
  
August die 11. Isonzoschlacht auf 70 km Breite begonnen und den 
Italienern Gewinn gebracht. Anfang September wurde das Ringen 
erbittert fortgesetzt. Es war wiederum für die italienische Armee erfolg- 
reich. Die k. u. k. Armeen hatten zwar standgehalten, ihre Verluste im 
Karstgebirge waren aber so schwer gewesen, ihr Geist war so erschüttert, 
daß bei den maßgebenden militärischen und politischen Stellen Österreich- 
Ungarns die Überzeugung entstand, die k. u. k. Armeen würden eine Fort- 
setzung der Schlacht und einen 12. Isonzo-Angriff nicht aushalten. Die 
österreichisch-ungarische Armee an der italienischen Front brauchte Stützung 
durch deutsche Truppen. Wir konnten nicht nach der Moldau hinein an- 
greifen. Ein Einsetzen deutscher Divisionen in Italien zur reinen Abwehr 
war keine Maßregel, die unserer ernsten Lage entsprach. Die Oberste 
Heeresleitung mußte sehen, daß sie auch hier zu einem Angriff, vielleicht 
zu einer Operation kam, um doch noch eine Verbesserung unserer Gesamt- 
kriegslage zu erzielen. 
Das Aufgeben der Operation in der Moldau ist mir schwer geworden. 
Sie erschien mir bedeutungsvoller als eine solche gegen Italien. Jener 
Angriff konnte den Krieg an der Ostfront bei der Lage in Rußland seinem 
Ende entscheidend näherbringen. Daß dieses Ziel bei der Zersetzung des 
russischen Volkes und des russischen Heeres auch ohne größere militärische 
Kraftanstrengung erreicht zu werden vermochte, war damals nicht zu 
übersehen. Der Angriff gegen Italien konnte gewiß wirksam werden und 
die Westfront unmittelbar entlasten; ob er aber in Verbindung mit der 
Kohlennot Italien eine innere Krise bringen würde, mußte dahingestellt 
bleiben. Diese Frage wurde allgemein skeptisch beurteilt. Trotz dieser 
verschiedenen Bewertung der etwaigen Erfolge mußte der Angriff gegen 
Italien Mitte September beschlossen werden, um den Zusammenbruch 
Österreich-Ungarns zu verhindern. Es blieb nur zu prüfen, wie Rußland 
auch nach dem Schlage bei Riga getroffen werden könnte, um seine Auf- 
lösung zu beschleunigen. Der Ausspruch Moltkes: „Die Strategie ist ein 
System der Aushilfen“, bleibt ewig wahr. 
Sehr viel stürmte auf mich um die Monatswende AugustSeptember 
ein. Berlin nahm mich stark in Anspruch. Auf einer Fahrt nach dem 
Westen hatte ich einen Eisenbahnunfall. Ein anderer Zug war in den 
Wagen, in dem ich mit meinen Herren beim Abendessen saß, hinein- 
gefahren und hatte ihn umgeworfen. Das brachte aber nur kurzen Schreck. 
Schwer traf mich der Heldentod meines ältesten Sohnes oder richtiger 
des ältesten Sohnes meiner Frau aus ihrer ersten Ehe. Eigene Kinder 
habe ich nicht. Ich hatte meinen Sohn, mit dem mich, wie mit seinen 
Geschwistern innige Zuneigung verband, noch kurz vorher frisch und 
blühend, begeistert für seinen Beruf und sein Vaterland, in Lille gesehen.
	        
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