Fortdauer der Kämpfe in Flandern 391
Anfang Oktober lebte der Artilleriekampf wieder auf. Der 2. und
3. Oktober brachten Artillerieschlachten größter Stärke. Am 4. morgens
begann auch der Infanteriekampf. Er war von seltener Schwere und
wurde überstanden, aber doch wiederum nur mit Einbuße ungeheurer
Kraft. Es zeigte sich, daß die bei meiner letzten Anwesenheit im
September eingeleitete Verdichtung der vorderen Linie nicht das Heilmittel
war. Ich ging nun nach eigenem Urteil vor, ohne weiter zu fragen, und
empfahl der 4. Armee die Bildung eines Vorfeldes, d. h. die Bildung eines
schmalen Streifens zwischen der vordersten feindlichen Linie und der Linie,
die die Truppe in beweglicher Verteidigung halten sollte. Der Feind mußte
dies Vorfeld, wenn er angriff, durchschreiten. Unsere Artillerie fand Zeit,
ihn zu fassen, bevor er unsere Hauptwiderstandslinie erreichte. Die große
Schwierigkeit bestand in dem Ausweichen der Vorfeldbesatzung beim An-
griff und in dem Heranziehen des Artilleriefeuers an die eigene Linie. Der
Begriff „Vorfeld“ hat später verschiedene Auslegungen erfahren. Die Ge-
danken verwirrten sich oft. Die Grundlage war einfach und klar. Die
4. Armee folgte meinem Vorschlage über ein Vorfeld nur mit Zurück-
haltung, erst allmählich aus innerer Überzeugung.
Ferner wirkte ich unausgesetzt auf die Massenverwendung der Ar-
tillerie und stärkste Feuervereinigung hin.
Der 9. und 12. Oktober brachten wieder schwere Schlachten. Die
Front hielt besser als am 4., wenn auch stellenweise erhebliche feindliche
Einbrüche erfolgten. Der Kräfteverbrauch an den Großkampftagen der
4. Flandernschlacht war außerordentlich hoch. Es wurde im Westen
knapp an Truppen. Die beiden im Osten noch bereitgestellten und schon
auf der Fahrt nach Italien begriffenen Divisionen wurden abgedreht und
nach Flandern gezogen. Die Unternehmung gegen OÖsel war wenigstens
in Fluß gekommen, aber der italienische Angriff konnte nicht vor dem
22. Oktober beginnen. Witterungsverhältnisse erforderten noch einen Auf-
schub bis zum 24. Diese Tage brachten den Höhepunkt der Krise.
III.
Mit dem 22. Oktober begann der fünfte Akt des ergreifenden Dramas
in Flandern. Ungeheure Munitionsmengen, wie sie Menschenverstand
vor dem Kriege nie erdacht hatte, wurden gegen Menschenleiber geschleu-
dert, die, in tiefverschlammten Geschoßtrichtern zerstreut, ihr Leben not-
dürftig fristeten. Der Schrecken des Trichterfeldes vor Verdun wurde noch
übertroffen. Das war kein Leben mehr, das war ein unsägliches Leiden.
Und aus der Schlammwelt wälizte sich der Angreifer heran, langsam, aber
doch stetig und in dichten Massen. Im Vorfelde von unserem Munitions=