406 Die Schlacht in Flandern und der Zusammenbruch Rußlands
Meerbusen eindrang und gegen den Moonsund vorging, fuhren Torpedo-
boote nördlich um die Insel herum. Sie hatten den langen Damm, der
Osel mit Moon verbindet, unter Feuer zu nehmen und den feindlichen
Truppen auf Ösel den Rückzug abzuschneiden. Weiterhin sollten sie von
Norden in den Moonsund vorstoßen. Die Marine hoffte, Teile der feind-
lichen Seestreitkräfte, die sich dort dauernd aufhielten, zur Schlacht zu
stellen oder abzuschneiden. Die Bewegungen der auf Osel gelandeten
Truppen verfolgten das Ziel, schnell jenen Damm in die Hand zu be-
kommen, die ganze Insel einzunehmen und dabei den Verteidigern der
Halbinsel Sworbe in den Rücken zu fallen.
Die Absichten glückten, nur ein kleiner Teil der Besatzung konnte auf
dem Damm entfliehen. Am 16. war die Insel Ösel in unserem Besitz, am
18. siel Moon. Bald darauf war auch Dagö fest in unserer Hand. Die
Marine hatte Gelegenheit, gegen feindliche Seestreitkräfte zu wirken.
Der Kampf an der Ostfront war hiermit vorläufig beendet.
Wieweit die letzten Angriffe die Entwicklung der Dinge in Rußland
beschleunigt haben, entzieht sich meiner Kenntnis; Tatsache ist, daß die
Zersetzung der russischen Armee im Herbst mit dem Emporkommen der
Bolschewisten sehr schnell fortschritt. Der Offizier verlor seine bevorzugte
Stellung, ihm wurde jede Autorität genommen. Er sollte nicht mehr
gelten als der Mann in Reih und Glied, bald sollte er noch weniger sein
und überhaupt keine Rechte mehr haben. Die Entrechtung des Offiziers
fand in Rußland bei vielen Billigung. Auch dort gab es zahlreiche kurz-
sichtige Leute, die nicht einsahen, daß auf der Autorität der Halt der Armee
und jede Weltordnung beruht, und daß sie an der Weltgesellschaftsordnung
zu rütteln begannen, als sie die Autorität des Offiziers erschütterten. Het-
man Skoropadski sagte mir, er hätte gar nicht gemerkt, wie sein Armee-
korps, das er im Kriege befehligt hatte, ihm unter der Hand verschwunden
sei. Auf einmal wäre es weg gewesen. Diese schlichte Erzählung machte
einen gewaltigen Eindruck auf mich.
Die russische Revolution blieb in der Armee bei der Entrechtung des
Offiziers nicht stehen. Sie setzte an Stelle der Kommandogewalt den Sol-
datenrat und schritt weiter. Sie nahm allen nichtproletarischen Soldaten
die Waffen und schuf die Rote Garde. Auf rein politischem Gebiet handelte
sie entsprechend. Der „Bourgeois“ galt nichts, der Proletarier und prole-
tarische Arbeiterrat alles. Die proletarische Arbeiter= und Soldatenwelt
mit ihren Räten sollte jetzt die Welt regieren und eine neue Weltordnung
schaffen. Was bisher war, wurde grausam zerstört, die Kultur verwüstet.
Der Besitz sollte beschränkt, die Arbeitsfreudigkeit getötet werden. Das
Weib wurde Gemeingut. Die niederen Instinkte drängten sich immer
schärfer vor. Es entstand immer ausgesprochener eine blutige Diktatur