Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Waffenstillstand im Osten 409 
  
kämpfter gegen frische Divisionen, sondern um eine wirkliche zahlenmäßige 
Verstärkung des Westens. 
Die Ausbildung aller Truppen im Osten nach Westgrundsätzen wurde 
gefördert. In Rumänien geschah ähnliches. 
Der Gedanke, in Frankreich im Jahre 1918 anzugreifen, bewegte schon 
im November viele Führer des Westens, mich wohl in erster Linie. Ich 
erwartete daher mit größter Spannung den Tag, an dem die russische Re- 
gierung uns um Waffenstillstand bitten würde. An der Front kam es im 
November an vielen Stellen zum Abschluß örtlicher Waffenruhen. Die 
Verbände, die mit uns verhandelten, wurden immer größer, schon kamen 
einzelne russische Armeen mit Anträgen zur Beendigung der Feindselig- 
keiten. Friedensverhandlungen, die in Dünaburg erstrebt wurden, zer- 
schlugen sich. Waffenstillstandsverträge wurden hier und da wieder ge- 
kündigt. Es war ein wirres Bild, halb Krieg, halb Frieden. 
Am 26. November fragte der russische Höchstkommandierende, Volks- 
kommissar Krylenko, funkentelegraphisch an, ob die deutsche Oberste Heeres- 
leitung zum Waffenstillstand bereit sei. Wir antworteten zustimmend. 
Bereits am 2. Dezember überschritten die russischen Unterhändler die deut- 
schen Linien. Die Verhandlungen begannen unverzüglich in Brest-Litowek, 
wo der Oberbefehlshaber Ost immer noch sein Hauptquartier hatte. Gleich- 
zeitig entsandten die vier verbündeten Mächte ihre Abordnungen. Schon 
am 7. Dezember war eine Waffenruhe für zehn Tage geschlossen. General 
Hoffmann leitete diese Verhandlungen sehr geschickt und wußte Abschweifun- 
gen der bolschewistischen Vertreter zu verhindern. Es wurde nur zur Sache 
gesprochen. Die russischen Vertreter kehrten mit dem Waffenstillstandsent- 
wurf vorübergehend nach Petersburg zur Einholung neuer Anweisungen 
zurück. Am 12. begannen die Verhandlungen von neuem. Am 15. wurde 
der Waffenstillstand unterzeichnet. Er sollte nach Ablauf der Waffenruhe 
am 17. Dezember 12 Uhr mittags beginnen und bis zum 14. Januar 1918 
12 Uhr mittags andauern. Würde er mit siebentägiger Frist nicht ge- 
kündigt, so lief er stillschweigend weiter. 
Der ursprüngliche Entwurf hatte keine grundsätzlichen Anderungen 
erhalten, die russische Front war unverändert geblieben, auch eine Demar-- 
kationszone war nicht geschaffen. Demarkationslinien waren die gegen- 
seitigen Drahthindernisse. Es war sogar auf russischen Wunsch an gewissen 
Übergangsstellen Verkehr von Front zu Front zugelassen worden. Die 
Absicht einer Propaganda wurde klar erkannt. Der Oberbefehlshaber Ost 
war überzeugt, durch entsprechende Maßnahmen diesen Versuch vereiteln 
zu können. Wir nahmen deshalb auch diese Bedingung auf uns, nur um 
zum Abschluß zu kommen. Der Vertrag galt offiziell für die ganze russische 
Front. Die Macht der Räteregierung aber reichte nicht so weit. Es wurde
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.