Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

420 Die Schlacht in Flandern und der Zusammenbruch Rußlands 
  
  
Im Reichstage zeigte sich kein Verständnis für seine kriegerischen Auf- 
gaben, namhafte Abgeordnete stellten sich schützend vor die Volksvertreter, 
deren enge Beziehungen zu den Vorgängen in der Marine nachgewiesen 
waren, die die Revolution erstrebten und die Mannszucht untergruben. 
Das deutsche Volk wurde über den ungeheuren Ernst der Vorgänge nicht 
genügend unterrichtet. 
In der Marine mußte die Art der Behandlung unermeßlichen Schaden 
verursachen. Aber auch im Heere wurden die Vorgänge in der Marine be- 
sprochen. Die Erledigung machte tiefen Eindruck. 
Die geistige Kriegsfähigkeit des deutschen Volkes hatte sich seit dem 
Juli nach vorübergehendem Aufschwung rasch wieder auf einen bedenklichen 
Tiefstand gesenkt. Der Geist, der im Herbst 1918 und im Jahre 1919 das 
deutsche Volk entwaffnen sollte, wurde kenntlich. Unsere Anträge, die 
Führung der Presse und der inneren Aufklärung zu übernehmen, fanden 
trotz der Revolutionierung Rußlands und der Erscheinungen in der Marine 
keine Erledigung, die dem Ernst der Lage irgendwie gerecht wurde. 
Nach Besprechung mit dem Kriegsministerium erschien es der Obersten 
Heeresleitung jetzt höchste Zeit, eine Stelle zu schaffen, die der Abwehr der 
gegen den Umsturz der Staatsordnung gerichteten Unternehmungen diente. 
Die bezüglichen Anträge gingen nach Berlin und wurden dort mit den 
Reichsbehörden verhandelt. Wiederum war nichts zu erreichen. Von dem 
Vertreter der Obersten Heeresleitung wurde nun vorgeschlagen, diese Ab- 
teilung bei dem stellvertretenden Generalstabe einzurichten. Dem wurde 
allseitig zugestimmt. Ihre Tätigkeit blieb eine feststellende, das Arbeits- 
gebiet wurde aber sehr bald ein hochpolitisches; es war bezeichnend, daß 
trotzdem die Regierung die von mir für richtig gehaltene und angeregte 
übernahme der Abteilung ablehnte. Der Obersten Heeresleitung blieb 
nichts anderes übrig, als sich wieder mit einer Aufgabe zu befassen, deren 
Verfolgung ihr nicht oblag! 
Die Mißstände unseres Kriegswirtschaftslebens traten immer unver- 
hüllter hervor und mußten immer verbitternder wirken. 
Auch unsere Wirtschaftslage hatte sich verschärft. Die Rohstoffe fehlten 
im Volksleben immer mehr und mehr. 
Mit der Verpflegung waren wir durchgekommen, es war aber sehr 
schwer gewesen. Im Winter 1916/17 hatte es an der Möglichkeit gefehlt, 
Kartoffeln zu fahren. Die Kohlrübe mußte aushelfen. Viele haben damals 
gehungert. Im Frühjahr und Sommer waren wieder bessere Bestände da. 
Es hatte aber nur mit Zuhilfenahme von rumänischem Weizen und von 
Mais gereicht. Durch umfassenden Frühdrusch war noch eine Spanne Zeit 
zwischen alter und neuer Ernte zu überwinden. Wir lebten dadurch auf 
Vorschuß.
	        
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