Kanzlerwechsel 421
Das Pferdefutter war sehr knapp geworden; die Weide, die bereits
frühzeitig begann, half über vieles hinweg. Die Haferernte war schlecht
ausgefallen, auch der Heuschnitt nicht ergiebig gewesen. Es ließ sich vor-
aussehen, daß die Futterverhältnisse schwieriger werden mußten.
Die Kohlenversorgung erschien gesicherter als im Winter 1916/17.
Der Hausbrand war leidlich gefahren.
Die Olbestände waren ungemein gering; die Produktion Rumäniens
bedurfte noch dringend der Förderung. Auf dem Lande sah man wieder
dunklen Winterabenden entgegen.
Der Ausblick in die Zukunft war beim Abgang des Reichskanzlers
Dr. Michaelis überaus ernst. Ich hoffte, daß der Niederbruch Rußlands,
an dem jetzt nicht mehr zu zweifeln war, nun endlich die Geister aufrichten
würde. Das war in Verbindung mit unseren glänzenden Erfolgen in
Italien und unserem Heldentum an der Westfront wahrlich genug, um er-
hebend zu wirken und die Enttäuschung über das Ausbleiben eines vollen
Erfolges des U-Bootkrieges auszuschließen. Die Völker der Entente konnten
zu gleicher Zeit ähnliches nicht aufweisen. Sie hatten doch nur Mißerfolge
gehabt, besaßen aber dabei einen geschlossenen Willen in sich und ihrer Re-
gierung und stellten sich mit starkem nationalem Denken hinter ihre großen
Männer, die sie kraftvoll führten. Widerstrebende Elemente drangen nicht
durch. Deutschland war zu seinem Unglück einen politisch entgegengesetzten
Weg gegangen. Der Reichstag widersetzte sich einer geschlossenen Leitung,
die dem Kriege widerstrebenden Elemente gewannen im Volke Boden. Die
politische Führung der Kanzler versagte. So verschoben sich die Verhältnisse
im Innern der kriegführenden Staaten immer mehr zu unserem Nachteil.
Die Hoffnung des Feindes auf unseren inneren Zusammenbruch glich seine
militärischen Enttäuschungen aus. Solche Gedanken konnten wir in bezug
auf unsere stärksten Feinde nicht hegen, dadurch entstand, trotzdem unsere
militärische Lage gut war, ein tiefgehender Unterschied in dem Sieges-
gefühl der gegeneinander ringenden Völker.
Auf Dr. Michaelis folgte Ende Oktober Graf v. Hertling. Er war der
erste Reichskanzler, den die Krone in Übereinstimmung mit der Reichstags-
mehrheit ernannte. Soweit war die Machtverschiebung zugunsten des
Parlaments schon gediehen, die sich auch in verschiedenen Minister-Er-
nennungen äußerte. Seit dieser Stunde trug die Reichstagsmehrheit in
noch schärferer Weise als bisher die Mitverantwortung für das Geschick des
deutschen Volkes.
Die Oberste Heeresleitung erfuhr die Berufung erst, als sie schon feste
Gestalt angenommen hatte. Graf v. Hertling hatte inzwischen von uns eine
bessere Meinung gewonnen. Er war mir unbekannt. Wir erwarteten von
ihm die Erfüllung der Aufgaben, die die Regierung für die Kriegführung zu