Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Reichskanzler Graf v. Hertling 425 
  
  
instrument beherrschen. Das verlangte schon eine ungewöhnliche Arbeits- 
kraft. Undenkbar war es, daneben noch die Leitung der so ungemein 
schwerfällig arbeitenden Regierung zu übernehmen, die noch viel mehr einen 
ganzen Mann erforderte. Lloyd George und Clemenceau konnten Dikta- 
toren sein, die Kriegführung im einzelnen beschäftigte sie aber nicht. 
Deutschland brauchte einen Diktator, der in Berlin und nicht im Großen 
Hauptquartier saß. Dieser Diktator mußte ein Mann sein, der die Ver- 
hältnisse in der Heimat vollständig übersah und kannte. Ihm wäre Berlin 
vielleicht gefolgt. Ich konnte diese Aufgabe nicht übernehmen. Im Kampf 
mit mir selbst wurde ich mir darüber klar. Nicht Scheu vor Verantwortung 
hielt mich zurück, sondern die klare Erkenntnis, daß eine Menschenkraft 
nicht ausreicht, das Volk in der Heimat und das Heer am Feinde in diesem 
Volks= und Weltkriege allen Widerständen und Reibungen zum Trotz, denen 
ich als Vertreter des berüchtigten Militarismus überall begegnet wäre, gleich- 
zeitig. zu führen. Die Verhältnisse lagen doch erheblich anders als in 
früheren Kriegen. Vergleiche, wie sie mir gegenüber damals gezogen 
wurden, paßten in keiner Weise, Zeiten und Verhältnisse ließen sich über- 
haupt nicht vergleichen. Friedrich der Große war Monarch und besaß die 
Autorität von Gottes Gnaden, Napoleon wußte wenigstens zu Beginn 
seines blendenden Aufstiegs ganz Frankreich hinter sich. Eins war aller- 
dings gewiß, die Macht gehörte in eine Hand. 
Mir blieb nichts anderes übrig, als neben meinen gewaltigen Auf- 
gaben an der Front das Ringen mit der Regierung weiterzuführen, um 
das zu erhalten, dessen das Heer zum letzten und endgültigen Siege bedurfte. 
Ich war mir der Schwere der Aufgabe bewußt, hoffte aber, daß der Nieder- 
gang Rußlands die glückliche Lösung ermöglichen würde. Hierin lag der 
Unterschied gegen die Lage im Juli 1917 beim Abgang des ersten Kriegs- 
kanzlers. 
VIII. 
An politischen Fragen stand außer Friedensfragen die austro-polnische 
im Vordergrund. Graf Czernin war es gelungen, zunächst Seine Mojestät, 
dann auch den Reichskanzler und Staatssekretär v. Kühlmann für seine 
Ansichten zu gewinnen. Gleich nach Übernahme des Reichskanzleramts 
durch den Grafen Hertling fand in Berlin ein Kronrat über diese Frage 
statt, zu dem auch der Generalfeldmarschall und ich befohlen waren. Graf 
v. Hertling und Staatssekretär v. Kühlmann waren bayerische Staats- 
angehörige, der Vizekanzler, v. Payer, Württemberger. Sie standen den 
Verhältnissen der preußischen Ostprovinzen fremd gegenüber und stellten 
sich auf den Boden der austro-polnischen Lösung; die anderen Minister und 
Staatssekretäre schlossen sich ihnen im wesentlichen an. Der Generalfeld-
	        
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