426 Die Schlacht in Flandern und der Zusammenbruch Rußlands
marschall und ich sprachen uns ernst gegen solche Lösung aus. Maßgebend
für unser ablehnendes Votum blieben unsere militärischen Bedenken. Die
Verhältnisse, wie sie jetzt, wenn auch in anderer Gestalt, eingetreten sind,
bekräftigen meine Ausführungen in verhängnisvoller Weise.
Der Generalfeldmarschall und ich wurden aber überstimmt. Der Kaiser
befahl uns, zu prüfen, welche militärischen Voraussetzungen uns die austro-
polnische Lösung annehmbar machen würden.
Dieser Weisung entsprechend suchten wir einen Ausweg. Er war nur
in einem verbreiterten Schutzstreifen längs der ganzen preußischen Grenze
zu finden.
Die weitere Entwicklung der Verhältnisse im Gebiet des Oberbefehls-
habers Ost hatte inzwischen auf Grund der im August erlassenen Weisungen
in Kurland einen günstigen, in Litauen dagegen einen unerfreulichen Ver-
lauf genommen.
Major v. Goßler war es im September gelungen, in Mitan nach den
im August vom Oberbefehlshaber Ost erlassenen Weisungen einen Landesrat
zu bilden. Er konnte an das alte geschichtliche Verfassungsleben Kurlands
anknüpfen. Die Ritterschaft war einsichtig genug, ihm zu folgen. Sie
forderte Letten zur Beteiligung an der Bildung des Landesrates auf. Diese
nahmen an. Für alle diejenigen, die in dem Umsturz alles Bestehenden
das Heil eines Landes erblicken, war das den Letten Gebotene zu
wenig. Viel war es auch nicht. Aber es gab Raum für eine stetige
Weiterentwicklung; es war erreicht, daß die Letten nicht mehr abseits
standen. Der Landesrat in Mitanu trat in feierlicher Form zusammen und
bat Seine Majestät in einer Adresse, Kurland zu schützen und die Herzogs-
würde des Landes anzunehmen. Die Antwort der Reichsregierung war
entgegenkommend, wenn sie sich auch einer bestimmten Stellungnahme
enthielt.
In Litauen drängten sich die unklaren Wünsche der dortigen Demo-
kratie immer schärfer in den Vordergrund. In Wilna wurde der Landes-
rat durch Umgestaltung des Vertrauensrates ins Leben gerufen. Er er-
wies sich aber als arbeitsunfähig. Das politische Leben stockte.
Vor seinem Abgang hatte Reichskanzler Dr. Michaelis Litauen und
Kurland bereist, und ich erwartete, daß nun ganze Arbeit im Osten ver-
richtet werden könne. Auf seine Aufforderung stellte ich meine An-
wesenheit in Berlin für die ersten Novembertage in Aussicht. Sein plötz-
licher Abgang zerstörte meine Hoffnungen.
Anfang November war ich in Berlin. Die in Aussicht genommene
Sitzung über Fragen des Gebiets des Oberbefehlshabers Ost fand am
4., nun allerdings unter dem Vorsitz des eben ins Amt getretenen Reichs-
kanzlers Grafen v. Hertling, statt. Ich beabsichtigte, die Grundlagen für die