Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Politik in Litauen und Kurland 427 
  
  
Beziehungen von Kurland und Litauen zu Deutschland vor ihm festzustellen 
und mich seiner Zustimmung zu den Abmachungen mit den früheren Reichs— 
kanzlern zu versichern. Gleichzeitig wollte ich die Stellung der Verwaltungs- 
chefs dadurch stärken, daß sie einzig und allein die entscheidende Autorität 
dem Lande gegenüber waren und nicht irgendein Abgeordneter, noch der 
Reichskanzler oder die Oberste Heeresleitung. Die Richtlinien für unsere 
Politik im Gebiet des Oberbefehlshabers Ost liefen nach wie vor auf den 
klaren Anschluß Kurlands und Litauens an Deutschland in Personalunion 
mit dem Hause Hohenzollern hinaus. Ich hielt jetzt im Interesse unserer 
Zukunft eine baldige Erklärung der beiden Landesräte für nötig. In Kur- 
land war die Hauptarbeit bereits geleistet, es blieben nur noch Formalien 
zu erfüllen übrig. Dagegen waren in Wilna noch außerordentliche Schwie- 
rigkeiten zu überwinden. Doch war hierauf bestimmt zu hoffen, wenn der 
Verwaltungschef klare Weisungen erhielt und die Unsicherheit in unserem 
Verhalten Litauen gegenüber aufhörte. In beiden Ländern sollten dann die 
Grundzüge für die innere Verfassung sowie für die militärische, wirtschaft- 
liche und politische Verbindung mit Deutschland vorbereitet werden. 
Ich fand in der Sitzung keinen Widerspruch. Die Herren vom 
Oberbefehlshaber Ost, die Berlin noch nicht so kannten wie ich, freuten sich, 
daß sie nun endlich weiterarbeiten konnten. Ich war skeptisch und sollte 
Recht behalten. Die Verhältnisse in Litauen blieben verworren. Von 
litauisch-deemokratischer Seite begann eine wilde Hetze gegen den Verwal- 
tungschef, Oberstleutnant Fürsten v. Isenburg. Die Beschwerden fanden 
größtenteils ihre vermeintliche Begründung in den Kriegsverhältnissen, die 
der Verwaltung gar nicht zur Last gelegt werden konnten. Aber die Über- 
geugung war fertig, und mit sachlichen Gründen war nichts dagegen aus- 
zurichten, wie dies gewöhnlich im politischen Meinungsstreit der Fall ist. 
Die demokratischen Litauer Wilnas fanden Gehör bei unseren Mehrheits- 
parteien und diese wieder im Auswärtigen Amt. Die Litauer gewöhnten 
sich daran, in der Militärverwaltung nicht mehr die deutsche Autorität ver- 
körpert zu sehen, sondern erkannten sehr schnell, daß einzelne Abgeordnete 
mächtiger waren als die Regierung selbst. Diese gefielen sich wiederum 
darin, eine eigene litauische Politik zu treiben, obschon sie das Land nicht 
kannten. Die Regierung, die ängstlich darauf achtete, daß die Oberste 
Heeresleitung nicht etwa eigene Politik verfolge, was diese auch gar nicht 
beabsichtigte, ließ die Abgeordneten schalten und walten. Unter ihrem Ein- 
fluß behandelte das Auswärtige Amt die litauische Frage weiter in Berlin 
nur nach den vermeintlichen Bedürfnissen der innerpolitischen Lage Deutsch- 
lands, nicht nach denen des Landes selbst. Auch hier wurde demnach diese 
maßgebend für das Verhalten der Regierung in der auswärtigen Politik. 
So waren keine gesunden Verhältnisse in Litauen zu schaffen; jeder Schritt
	        
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