428 Die Schlacht in Flandern und der Zusammenbruch Rußlands
des Verwaltungschefs, dessen Autorität von Berlin aus untergraben wurde,
mußte einen Mißerfolg bedeuten. Die Besprechung am 4. November war
demgegenüber mein letzter Versuch, Ordnung in diesen litauischen Wirrwarr
zu bringen. In der Folge beschränkte ich mich nur darauf, unmittelbaren
Nachteil zu verhindern.
Oberstleutnant Fürst v. Isenburg sah sich veranlaßt, seinen Abschied
zu erbitten, nachdem er erkannt hatte, daß die von ihm für richtig ange-
sehenen Grundlinien in der Politik verlassen wurden. Ich habe seinen Ab-
gang bedauert.
Um Mitte Dezember wurde vom Reichskanzler den Litauern die An-
erkennung Litauens als freier, unabhängiger Staat mit der Hauptstadt
Wilna in Aussicht gestellt. Es habe sich zu verpflichten, mit dem Deutschen
Reiche verschiedene Konventionen einzugehen. Ein solches Litauen war
auf dem besten Wege, den Polen zu verfallen, wenn in die Konven-
tionen nicht Bedingungen aufgenommen wurden, die den Einfluß Deutsch-
lands sicherstellten. Hierzu war bei dem Gebaren der Litauer aber wenig
Aussicht. Diese mußte sich weiter verringern, wenn vor ihren unklaren
Münschen noch mehr zurückgewichen wurde. Der Wunsch einzelner Litauer
und eines einflußreichen württembergischen Abgeordneten ging zudem nach
einem Fürsten aus dem württembergischen Königshause, während auch der
sächsischen Herrscherfamilie Hoffnungen gemacht zu sein scheinen. Jeder Fürst
in Wilna hätte den polnischen Adel an seinem Hofe gehabt, die Offiziere des
litauischen Heeres wären Polen gewesen, ebenso die Mehrzahl der Verwal-
tungsbeamten. Nur Preußen-Deutschland konnte die Litauer sich selbst er-
halten und Beamte und Offiziere stellen, die sie noch lange nicht in genügen-
der Zahl hervorbringen werden. Mit politischen Schlagworten allein werden
lebensfähige Staaten nicht geschaffen und kleine Nationen nicht am Dasein
erhalten. Ich war daher von dieser allgemein gehaltenen und für Deutsch-
lands Zukunft so ungemein gefahrvollen Lösung wenig erbaut. Bezeichnend
war auch, daß die Polen sie ruhig hinnahmen. Sie konnten zufrieden sein.
Die Oberste Heeresleitung verblieb nach wie vor auf dem von dem
Reichskanzler seinerzeit gebilligten Standpunkt eines engen Antschlusses
Litauens an Deutschland, in Personalunion mit dem Hause Hohenzollern.
In der Beratung unter dem Vorsitz Seiner Majestät in Kreuznach am
18. Dezember zur Feststellung der an Rußland zu stellenden Friedens-
bedingungen wurden die Ostfragen nochmals eingehend besprochen. Hier-
bei erklärte sich der Kaiser, ohne daß der Reichskanzler oder der Staats-
sekretär des Auswärtigen Amtes widersprachen, mit dem Schutzstreifen an
der preußisch-polnischen Grenze einverstanden, den wir noch als genügend
bezeichnet hatten. Dem Gedanken einer Personalunion Kurlands und
Litauens mit Preußen oder Deutschland stimmte der Reichskanzler vorbe-