Grundlagen für die Friedensverhandlungen im Osten 429
haltlich der Zustimmung der Bundesfürsten zu. Seine Majestät trat diesem
Entschluß bei und betonte noch die Notwendigkeit, die fremdstämmigen
Völker sich in diesem Rahmen nach ihrer Eigenart entwickeln zu lassen.
Für die völkische Politik in Kurland und Litauen bedeutete dies ein
Festhalten an den bisherigen Ergebnissen, wenn nicht in Zukunft an
unserer Ostgrenze neue Gefahren für das Deutsche Reich entstehen sollten.
Über Estland und Livland entschied Seine Majestät dahin, man solle
den Russen die Räumung vorschlagen, ohne sie zu fordern, um so die
Esten und Letten ihr Selbstbestimmungsrecht ausüben zu lassen.
Für die bevorstehenden Friedensverhandlungen war damit Staats-
sekretär v. Kühlmann die Grundlage gegeben.
Inzwischen hatte in der Verwaltung des Gebietes des Oberbefehls-
habers Ost eine Anderung stattgefunden. An ihre Spitze traten ein be-
sonderer Verwaltungsgeneral, General Graf v. Waldersee, und ein höherer
Verwaltungsbeamter, Unterstaatssekretär Frhr. v. Falkenhausen. Dem lag
der Gedanke zugrunde, den politischen Bedürfnissen des Landes schärfer
Rechnung zu tragen und den Wünschen des Reichskanzlers nachzukommen.
General Graf v. Waldersee und Unterstaatssekretär v. Falkenhausen haben
mit Umsicht und Geschick ihr Amt verwaltet. Bei der unklaren Haltung
Berlins konnten auch sie schaffende Arbeit nicht leisten.
Die elsaß-lothringische Frage kam unter der Kanzlerschaft des Grafen
v. Hertling insofern in ein anderes Fahrwasser, als dieser entschiedener An-
hänger einer Teilung Elsaß-Lothringens war, in der Bayern das Elsaß,
Preußen Lothringen erhalten sollte. Der Reichskanzler v. Bethmann hatte
bereits Bayern hiervon gesprochen. Ich versprach mir von solchen Absichten
nichts Gutes und befürchtete auch, daß diese Lösung, namentlich bei Würt-
temberg, verstimmend wirken würde. Wir konnten den Reichskanzler nur
bitten, zunächst in die grundlegende Besprechung dieser Frage einzutreten
und das Weitere hierzu zu veranlassen. Die ganze Angelegenheit hat seitdem
geruht. Ich hatte wenigstens gehofft, daß er seinen Einfluß in Rom als
alter Führer der Zentrumspartei und ehemaliger bayerischer Ministerpräsi-
dent ausnutzen würde, um die kirchlichen Verhältnisse der Reichslande in
deutsch-nationalem Sinne zu lösen, aber er bewirkte nichts.