Der U-Bootkrieg 431
Der Abgeordnete Erzberger hatte im Juli 1917 mit mir von der Be-
deutung der Welttonnage auf die Wirkung des U-Bootkrieges gesprochen
und sich auch im Reichstage darüber geäußert. Auf die Ergebnisse des.
U-Bootkrieges hat die Welttonnage ohne Zweifel großen Einfluß gehabt,
aber entscheidend ist dieser allein nicht gewesen. Mußte z. B. England
für seinen Verkehr mit Amerika Schiffe aus dem Dienst zwischen Australien.
und Amerika zurückziehen, so fehlten sie dort; das australische Getreide, auf
das England angewiesen war, blieb in Australien und fiel bei der Ver-
sorgung Englands und der Ententeländer aus. Mit dem Wort „Welt-
tonnage“ ist meines Erachtens die Frage, warum der U-Bootkrieg die En-
tente nicht bezwungen und die Kriegsentscheidung nicht gebracht hat, nicht
ohne weiteres abgetan. Auch die landwirtschaftliche Produktionssteigerung
in England hat sein Wirtschaftsleben entlastet und die Wirkung des U-Boot-
krieges verzögert. Ob die Schiffsneubauten der Entente umfangreicher
wurden, als ursprünglich angenommen, und sie auch hierdurch besondere-
Unterstützung erhiclt, vermag ich nicht zu entscheiden. Von ausschlaggeben-
der Bedeutung war, daß die Entente in zwei Kriegsjahren Gelegenheit
gehabt hatte, sich auf den U-Bootkrieg wirtschaftlich einzustellen und die
kriegerische Abwehr auszugestalten. „Aber die Flotte . wurde (allerdings.
mit Hilfe Amerikas!) der U-Bootgefahr Herr und verringerte deren Wirksam-
keit sehr“, schreibt der „Economist“ vom 7. September 1918. Im Kriege ist
der Blick in die Zukunft noch dichter verschleiert als im Frieden, besonders.
bei so verwickelten Verhältnissen, wie sie beim U-Bootkrieg in Betracht zu
ziehen waren. Sie wurden auch vom Feinde nicht erkannt. So ist es zu er-
klären, daß unsere Marine die einschlägigen Verhältnisse nicht in voller-
Schärfe übersah. Auch ihre verantwortlichen Männer haben nach Pflicht und-
Gewissen gearbeitet und gerechnet. Blieb dem U-Bootkrieg die kriegs-
entscheidende Wirkung bis zum Oktober 1918 versagt, so fielen doch seine
Leistungen schwer in die Wagschale. „Es war die größte Gefahr, der Eng-
land jemals gegenüberstand“, so schreibt die „Morning Post“ vom 3. Ok-
tober 1918. Ein Fehler wäre es auch, seine ungeheure Einwirkung auf das.
gesamte Wirtschaftsleben der Entente zu unterschätzen und nicht die Ent-
lastung in Rechnung zu stellen, die die Westfront durch ihn gehabt hat. Es.
ist der Geschichte vorbehalten, hierin Klarheit zu schaffen und dem viel-
gestaltigen Problem nachzugehen. Die Leistungen unserer U-Bootbesatzun-
gen bleiben Heldentaten von leuchtendem Glanz für alle Zeiten, auf die
Vaterland und Marine stolz sein können.
Um die Jahreswende 1917/18 konnte ich mit einer Ansicht der Marine
rechnen, die nach wie vor hoffnungsfreudig lautete. Allerdings war ich
skeptischer geworden, so daß ich meine Gedanken auf das Eintreffen der Neu-
sormationen der Vereinigten Staaten vom Frühjahr 1918 an einstellem.