440 Die Vorbereitungen für den Angriff im Westen 1918
„So lange nur beraten und nicht gehandelt wird, treten die Gegen-
sätze (zu dem Auswärtigen Amt) scheinbar zurück. Wird aber, wie jetzt, in
der austropolnischen Lösung gegen Österreich oder in Brest gegen die Russen
zur Tat geschritten, so zeigen sich die gegensätzlichen Auffassungen in ihrer
ganzen Schärfe. Ber jeder Gelegenheit wird sich dies und damit die jetzige
Lage wiederholen.
Eurer Majestät hohes Recht ist, zu entscheiden. Aber Eure Majestät
werden nicht verlangen, daß aufrichtige Männer, die Eurer Majestät und
dem Vaterlande treu gedient haben, sich mit ihrer Autorität und ihrem
Namen an Handlungen beteiligen, an denen sie sich aus innerster Über-
zeugung als schädlich für Krone und Reich nicht beteiligen können.
Eure Majestät werden nicht verlangen, daß ich Eurer Majestät Vor-
schläge zu Operationen unterbreite, die zu den schwersten der Weltgeschichte
gehören, wenn sie zur Erreichung bestimmter militär-politischer Ziele nicht
nötig sind.
Eure Majestät bitte ich alleruntertänigst, Sich grundlegend zu ent-
scheiden. Meine und des Generals Ludendorff Person dürfen bei Staats-
notwendigkeiten keine Rolle spielen."“
Seine Majestät übergab das Schreiben dem Reichskanzler zur Be-
antwortung. Wir hatten Mitte Januar eine Besprechung mit ihm.
Reichskanzler Graf v. Hertling wandte sich vor allem gegen die Auf-
fassung, daß der Generalfeldmarschall und ich für die Friedensbedingungen
mitverantwortlich wären. Er betonte, die Verantwortlichkeit läge einzig
und allein bei ihm. Der Generalfeldmarschall hatte ebenso wie seinerzeit dem
Reichskanzler v. Bethmann auch jetzt Graf v. Hertling gegenüber nicht die
Absicht, dessen staatsrechtliche Befugnisse irgendwie zu beeinträchtigen.
Hier handelte es sich aber um unsere moralische Verantwortlichkeit, die wir
tief in unserem Herzen fühlten, und die uns niemand nehmen konnte,
sowie auch darum, daß der Generalfeldmarschall und ich in Heer und Volk
tatsächlich ganz ausgesprochen für den Frieden mitverantwortlich gemacht
wurden. Daran war die Regierung selbst schuld, die sich oft genug auf die
Üübereinstimmung ihrer Ansichten mit denen der Obersten Heeresleitung
berufen und unsere Einsprüche gegen Pläne und Wünsche vorgeschoben
hatte, die sie nicht befriedigen konnte.
Graf v. Hertling hatte dies nicht getan, er bemühte sich sichtlich, sich von
der vermeintlichen Bevormundung der Obersten Heeresleitung frei zu
machen. Ich war von der Art, wie dies geschah, das eine oder andere Mak
überrascht. Auch Mitte Januar sprach der Reichskanzler sich streng in diesem
Sinne aus. Leider äußerte sich die Regierung nicht klar und scharf genug
in der Öffentlichkeit, daß sie und nicht der General Ludendorff regiere.
Über die staatsrechtliche Verantwortlichkeit des Reichskanzlers und