Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

450 Die Vorbereitungen für den Angriff im Westen 1918 
  
erkennung der Selbständigkeit Finnlands und der Ukraine, den Verzicht 
auf Kurland, Litauen, Polen, sowie die Abtretung von Batum und Kars. 
Die Frage über die zukünftige Stellung Livlands und Estlands wurde 
noch nicht gelöst; vorläufig waren die Länder von uns zu besetzen. 
Das Heer Großrußlands sollte demobil und die Flotte außer Dienst 
gestellt werden. Ferner hatte Rußland auf jede Propaganda in Deutsch- 
land zu verzichten. Eine Reihe wirtschaftlicher Fragen, der Kriegsgefan- 
genenaustausch usw., blieben näheren Besprechungen vorbehalten. Der 
Vormarsch sollte so lange fortgesetzt werden, bis diese Forderungen end- 
gültig in neuen Verhandlungen angenommen wären. Trotzki erklärte sich 
sofort bereit, neue Vertreter nach Brest zu entsenden; er selbst kam nicht, 
vermutlich weil ihm eine Propagandatätigkeit dort nicht mehr möglich 
erschien. 
Die russische Abordnung traf in Brest am 28. Februar ein. Es wurde 
nicht weiter unterhandelt. Die russischen Bevollmächtigten erklärten, sie 
hätten nur die Aufgabe, den Frieden zu unterschreiben. Sie zeigten Würde 
in ihrem selbstverschuldeten Unglück. Am 3. März, 5½ Uhr nachmittags, 
erfolgte die Unterzeichnung. Der Frieden war damit geschlossen, und die 
Feindseligkeiten an der russischen Front wurden von neuem eingestellt. 
Die Bedingungen des Brester Friedens galten den Bolschewisten, mit 
denen der Kriegszustand nie aufhören konnte — das beruhte in ihrer 
revolutionären Propaganda —. Mir lag nichts an einer Zerstörung Ruß- 
lands oder einer Schwächung, die ihm das Leben nahm. Ich hoffte vielmehr, 
daß die Wiederherstellung des Reichs von der Ukraine ausgehen würde; auch 
wäre mir eine russisch-polnische Lösung der polnischen Frage die denkbar 
liebste gewesen. Litauen und Kurland bildeten für Rußland keine Lebens- 
fragen, ebensowenig wie Batum und Kars. Der Verlust von Estland und 
Livland war für Rußland empfindlich. Hier konnten und sollten Rußland 
alle erdenklichen Erleichterungen gegeben werden. Ob es möglich war, noch 
weiter zu gehen und Livland und Estland an ein gefestigtes Rußland zu- 
rückzugeben, ist müßig zu erörtern, ein solch gefestigtes Rußland war nicht 
da. Darum trat ich auch aus innerster Überzeugung für die Bildung des 
Baltikums ein. Die Bedingungen enthielten sich im übrigen jeden Eingriffs 
in das innerpolitische und wirtschaftliche Leben Rußlands und legten ihm 
nichts auf, was mit der Ehre eines selbständigen Staats unvereinbar war 
und seine Bewohner knechtete. Es ist lehrreich, den Frieden, den Rußland 
damals erhielt, mit dem zu vergleichen, den es erhalten konnte, und diesen 
wieder mit dem, den wir ertragen müssen, obschon wir nie ein Friedens- 
angebot ausgeschlagen haben. Das Gerede über den Brester Gewalt= 
frieden wird verstummen. Noch betet dieses Schlagwort der feindlichen 
Propaganda ein Teil des deutschen Volkes gläubig nach. Wenn jetzt Ruß-
	        
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