Einmarsch in Großrußland und Vormarsch in die Ukraine 453
daß der Frieden mit Rußland nicht zustande gekommen war. Die Notlage
zwang ihn dazu, doch sehr bald seine Zustimmung zu geben. Ich war
über Österreich-Ungarns Haltung überrascht; erst wurde feierlich erklärt,
der Staat müsse einen ungünstigen Frieden schließen, um leben zu können,
und nun tat er nichts, um auf der gegebenen Grundlage sich die Lebens-
möglichkeiten zu verschaffen. Der endliche Hinzutritt Österreich-Ungarns
befriedigte mich, allein hätten wir die Aufgabe gar nicht lösen können.
Auch in der Ukraine ging der Vormarsch schnell vorwärts. Der unfsrige
richtete sich mit dem Schwerpunkt auf Kiew, das wir bereits am 1. März
besetzten, der österreichisch-ungarische auf Odessa. Die Operationen beweg-
ten sich längs der Bahnen vor; es kam zuweilen zum Kampf zwischen
Panzerzügen, ungeheure Räume mußten mit schwachen Kräften durcheilt
werden. Die bolschewistischen Truppen leisteten nur geringen Widerstand,
die tschecho-slowakischen Truppen — aus österreichisch-ungarischen Kriegs-
gefangenen zusammengestellt — schlugen sich erheblich besser; es kam mit
ihnen zu erbitterten Gefechten. Die Bewegungen und Kämpfe dauerten
bis in den Mai hinein an.
Der Oberbefehlshaber Ost schritt sofort dazu, aus gefangenen russischen
Soldaten ukrainischer Herkunft, die vom Kriegsministerium ausgesucht
waren, zwei Divisionen in Deutschland aufzustellen; leider sollten sie sich
nicht bewähren. Sobald sie nach der Ukraine kamen, verfielen sie radikal-
politischen Strömungen und mußten schließlich aufgelöst werden. Das war
schmerzlich. Ich hatte gehofft, daß, wie die Entente aus ihren Kriegsge-
fangenen Nutzen zog, wir doch hier wenigstens in den Söhnen des durch
uns von bolschewistischer Herrschaft befreiten Landes Entlastung erfahren
würden. .
Auch die Türken hatten nach Ablauf des Waffenstillstandes ihren Vor-
marsch in Armenien begonnen und beabsichtigten, ihn nach Kars und Ba-
tum auszudehnen.
VI.
Die Friedensverhandlungen mit Rumänien verliefen ebenso unerfreu-
lich wie die mit dem bolschewistischen Rußland.
Nach den Erfahrungen in Brest-Litowsk hatte ich zur Klärung der
strittigen Fragen mit Österreich-Ungarn eingehende Vorbesprechungen zu
den Friedensverhandlungen mit Rumänien zunächst innerhalb der Reichs-
ressorts für unumgänglich notwendig gehalten.
Wegen der Ll= und Getreideausfuhr für Heer und Heimat waren die
wirtschaftlichen Festsetzungen des rumänischen Friedens für die Krieg-
führung besonders wichtig. Später mußten sie für unser Wirtschaftsleben
von großer Bedeutung werden. Ich hatte den Generalquartiermeister im