Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Unsere Ersatzlage 471 
  
Für die geistige Kriegsfähigkeit der Heimat war nichts geschehen. Die 
Mißstände im Kriegswirtschaftsleben hatten sich mit jedem Tage verschärft. 
Die gehobene Stimmung des Heeres in seiner Gesamtheit wirkte auch auf 
die Heimat vorübergehend zurück und täuschte über vieles hinweg. Der 
Geist der breiten Masse blieb abseits stehen, befangen im Banne der feind— 
lichen Propaganda; der eigenen Interessen und Sorgen, nicht aber weil der 
Ausgang des Krieges gefährdet erschien. Die Heimat war nicht mehr fähig, 
die Nerven des Heeres zu stählen; sie zehrte bereits an dessen Mark; welchen 
Umfang die Wühlarbeit der Unabhängigen Sozialdemokratie angenommen 
hatte, konnten wir nicht erkennen. Die Streiks Ende Januar 1918 hatten 
nochmals ein grelles Schlaglicht auf ihre Bestrebungen geworfen; diese 
Partei gewann dauernd an Zulauf und war fest in der Hand ihrer Führer, 
während die Gewerkschaften an Einfluß verloren. 
Die Regierung selbst, obschon sie gegen die Streiks energisch auftrat, 
erkannte in ihnen die Zeichen der Zeit ebensowenig wie im Herbst 1917 
in der Marinebewegung. Es handelte sich immer mehr um die Frage, 
durch tatkräftiges Zufassen die Ordnung in Deutschland aufrecht zu halten, 
selbst auf die Gefahr hin, daß die Kriegsgerätherstellung vorübergehend 
nachließ. Andernfalls war zu befürchten, daß die Umsturzbestrebungen uns 
noch weit größeren Schaden zufügen würden. Die Reichsregierung kannte 
diese Stellungnahme der Obersten Heeresleitung. In jenen Tagen ist die 
Revolution in Deutschland entscheidend gefördert. In Reinickendorf wurde 
damals, wie ich jetzt erst erfahren habe, der erste Arbeiter= und Soldatenrat 
Deutschlands geschaffen. Tatsächlich war so ein weiteres Schwächemoment 
in unserem Kampfe um unser Leben in uns selbst entstanden. Kriegsent- 
scheidende Bedeutung habe ich dem noch nicht beigemessen. Mein Glaube an 
das deutsche Volk in seiner Gesamtheit war schließlich noch unerschüttert. 
Führer und Truppen am Feinde hatten mit der Obersten Heeres- 
leitung das Gefühl, daß sie in den bevorstehenden Kämpfen den an sie 
gestellten Anforderungen entsprechen würden. Wir erhofften einen Erfolg, 
wenn es auch nicht die Truppen von 1914 waren, sondern nur eine Art 
Miliz mit großer Kriegserfahrung. Der Feind war nicht besser. Da, wo 
wir mit den gleichen und weniger für den Angriff vorgebildeten Truppen 
angegriffen hatten, war der Sieg unser gewesen. Was wir erreichen, ob 
wir den Feind durchbrechen und zu einer Operation kommen würden, 
oder ob es ein Ausfall blieb, das freilich war ungewiß — wie alles im 
Kriege. 
Bei dem Vortrage in Homburg am 13. Februar hatte ich mich wie 
folgt über die bevorstehenden Ereignisse im Westen dem Kaiser und dem 
Reichskanzler gegenüber geäußert: 
„Der Kampf im Westen ist die gewaltigste militärische Aufgabe, die je
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.