Mißstände in der Rechtspflege 4953
Klagen über die müde und unzufriedene Stimmung, die aus der Heimat
in das Heer käme. Die Urlauber wären verhetzt und der neu eintreffende
Ersatz wirke schädlich auf die Mannszucht. Die Kriegsfähigkeit des Heeres
litte darunter. Bei einer Reihe von Ersatztransporten waren sehr erheb-
liche Unregelmäßigkeiten vorgekommen, namentlich bei Transporten aus
Bayern und solchen aus dem Osten. Auch über den Geist der auf dem
belgischen Truppenübungsplatz Beverloo ausgebildeten Mannschaften
wurde lebhaft geklagt. Um so größeren Wert legten die Truppen darauf,
in weitestgehender Weise den Ersatz wiederzuerhalten, der schon einmal in
ihren Reihen gestanden hatte und auch nach der Landsmannschaft zu ihnen
gehörte. Ich bin diesen Wünschen nach Möglichkeit nachgekommen, habe
aber nicht alles erreicht. Nachträglich hörte ich, daß in der Heimat von der
Schreibstube aus planmäßig dagegen gearbeitet ist. Es galt, das Heer zu
erschüttern.
Über den Geist der Heimat sprach ich immer wieder mit den hierfür
in Betracht kommenden Stellen. In diesen Tagen wurde mir das erste
Mal entgegengehalten, daß auch aus dem Heere Mißmut und Kampfes-
müdigkeit zurückkämen. Man schien hierüber erstaunt zu sein: schließlich
mußte es abet einmal so aus dem Heere herausschallen, wie dauernd aus
der Heimat hineingerufen wurde: trug doch das Frontheer in allen seinen
Teilen Schweres — unendlich Schwereres als je die Heimat. Der
Mann, der verbittert und verhetzt von Haus in das Heer kam und hier
viel ertragen mußte, konnte nicht anders als daheim mißmuterregend
wirken. Die Masse des Heeres war aber trotz der zersetzenden Einflüsse
der Heimat, trotz Sinkens der Mannszucht siegfreudig. Es war stets mein
Glaubenssatz, daß Volk und Heer nur einen Körper und eine Seele haben,
daß das Heer auf die Dauer nicht gesund bleiben kann, wenn das Land
erkrankt. Bedenkliche Erscheinungen beim Feldheer kamen nach wie vor
nur vereinzelt zu meiner Kenntnis. Es war in seiner Gesamtheit noch in
Zucht und Ordnung und hatte doch den Feind geschlagen. Ich hoffte, daß
das Pflichtgefühl und der Siegeswille des Heeres noch stark genug seien,
die vielen ungünstigen Einflüsse zu überwinden. Der Ausfall vieler höhe-
rer und mittlerer Offiziere in den letzten Kämpfen durch Verwundung und
Tod mußte hier besonders verschärfend wirken, da dem sehr jungen Offi-
zierersatz die natürlichen Mängel anhafteten. Ahnlich lag es mit dem er-
fahrenen Unteroffizier. Wir waren dahin gekommen, daß der Truppen-
teil vor Beginn der Schlacht eine Führerreserve ausschied. Sie nahm an
dem Kampfe nicht teil, um nachher noch Führer zu haben.
Auf taktischem Gebiet mußten wir die Truppen durch die Erfahrungen
unserer Kämpfe belehren. Sie bestanden in noch größerer Lockerung der
Infanterie, in noch höherer Bedeutung der Stoßtrupptaktik, in verbessertem