Die Verhältnisse im Osten 501
am 8. April besetzt. Der Oberbefehlshaber Ost stellte nun fest, daß ohne
die Kohlen des Donezbeckens ein Betrieb der Bahnen nicht möglich sei.
Wir willigten wohl oder übel ein, auch noch diesen Teil der Ukraine zu be-
setzen und unsere Linien bis Rostow vorzuschieben, das Anfang Mai er-
reicht wurde. Wir mußten trotzdem zunächst sehr erhebliche Kohlen-
mengen aus Deutschland nach der Ukraine fahren; nach Wiederaufnahme
der Kohlenförderung an Ort und Stelle verringerte sich die Einfuhr.
Außer der Eisenbahn brauchten wir auch gesicherten Schiffstransport
aus den Häfen des Schwarzen Meeres nach Braila. Die russische Schwarze-
Meer-Flotte hatte uns in Odessa, Nikolajew und Cherson Schwierigkeiten
bereitet. Welcher Regierung sie eigentlich unterstand, war nicht klar. Die
Abmachungen des Brester Friedens wurden von ihr nicht erfüllt. Sie
blieb in Sebastopol stets eine Gefahr für den Schiffsverkehr. Die Krim
wurde daher von uns Ende April besetzt. Ein Teil der russischen Flotte
entkam nach Noworossjisk. Die in Sebastopol genommenen Kriegsschiffe
sollten uns nutzbar gemacht werden, soweit wir Besatzungen stellen konnten.
Die Besetzung des weiten Gebietes hatte von neuem an vielen Orten
zu Zusammenstößen mit bolschewistischen Banden und Truppen geführt.
Sie wurden in den meisten Fällen mühelos vertrieben. Nach Einstellung
der Bewegung hatte der Oberbefehlshaber Ost mit der Sowjetregierung
eine Demarkationslinie vereinbart. Es war bezeichnend für die Sowjet-
regierung, wie oft sie unsere Truppen beschuldigte, diese Linie nicht einge-
halten zu haben, während vom Oberbefehlshaber Ost Meldungen vorlagen,
daß bolschewistische Banden in das von uns zu schützende Gebiet eingefallen
wären. Leider schien das Auswärtige Amt den bolschewistischen Lügen
mehr Glauben zu schenken als unseren Angaben.
Mit dem k. u. k. Oberkommando in Baden wurde unter Mitwirkung
des Oberbefehlshabers Ost nach mannigfachem Hin und Her die Interessen-
sphäre in der Ukraine geklärt. Der Generalquartiermeister traf daraufhin
mit Österreich-Ungarn ein Abkommen; die Verwertung der Vorräte wurde
geregelt. Doch später, unter dem Eindruck der Eingriffe Österreich-Ungarns
in unsere Verpflegungsbestände, mußte das Abkommen derart geändert
werden, daß wir in der ganzen Ukraine die Aufbringung aller Vorräte
und ihre Verteilung vornahmen. Dies war nur ein Notbehelf, leider er-
forderlich, um überhaupt zu einer klaren Wirtschaft zu kommen.
Den deutschen militärischen und zivilen Behörden war ein weites
Feld der Tätigkeit gegeben. Ich verfolgte mit Spannung alles, da die
Oberste Heeresleitung am Ergebnis am meisten interessiert war. General=
feldmarschall v. Eichhorn hatte die Heeresgruppe in Kiew übernommen.
Vertreter der Regierung war Botschafter v. Mumm. Das Aufbringen der
Vorräte lag in den Händen des Reichswirtschaftsamtes. Unklarer und