520 Der Angriff im Westen 1918
Daneben ging die revolutionäre und bolschewistische Beeinflussung
der Urlauber. In den Eisenbahnzügen wurde weitestgehende Propaganda
getrieben. Die auf Urlaub fahrenden Soldaten wurden bewogen, nicht
mehr zur Front zurückzukehren, die zur Front fahrenden wurden zum
passiven Widerstand oder zur Fahnenflucht und Meuterei aufgefordert.
Um die Monatswende Juni/Juli war vieles noch unsichtbar, aber in
stillem, unaufhaltsamem Werden.
Ob linksbürgerlich, sozialistisch oder bolschewistisch gesonnen, gemein-
sam war das Streben, die Autorität zu untergraben; schon jahrzehntelang
war hieran gearbeitet worden. Jetzt, in der Not des Staates, trat das un-
verhohlen hervor. Ich will nicht davon sprechen, daß ehrgeizige Abgeordnete
unserer schwachen Regierung nun noch den Rest von Ansehen nahmen,
auch nicht davon, wie man sich von allen Seiten bemühte, meine Stellung
und das Vertrauen zu mir zu erschüttern, weil man in mir die Stütze der
Autorität sah; ich denke nur an die planmäßige Arbeit gegen den Offizier.
Das war bei der demokratischen und mehrheitssozialistischen Partei ein
Verbrechen, nein, es war, um mit Talleyrand zu sprechen, schlimmer als
das, es war ein Fehler. Ein Fehler von so unendlicher Schwere und Kurz-
sichtigkeit, daß ihn nichts vertuschen kann. Statt in dem Offizier den Träger
der staatlichen Ordnung zu sehen, sahen viele in ihm allein den Vertreter des
„Militarismus“, ohne sich klar darüber zu sein, was eigentlich der Offizier
mit den Beschwerden zu tun hatte, die sie glaubten führen zu sollen. Alles
war so sinnlos. Das Offizierkorps hat bei uns nie Politik getrieben, es
hatte im Kriege lange seine Abgeschlossenheit verloren, gegen die vor dem
Kriege anzukämpfen als verdienstvoll galt. Es rekrutierte sich aus allen
Kreisen und aus allen Parteien; jeder konnte Offizier werden. Es war ja
nach vielen Richtungen hin leider nicht mehr das alte Offizierkorps. An
Mißständen waren fremde Elemente, das Sinken unserer Volksmoral und
die Unerfahrenheit vieler Offiziere schuld, die nur deshalb so früh in ihre
Stellungen gekommen waren, weil der Abgang an Offizieren auf blutiger
Wahlstatt so außerordentlich hoch gewesen war. Es werden auch einmal
dem gutgläubigen deutschen Volk die Augen aufgehen über diese Verhält-
nisse, aber zugleich über seinen Undank und sein eigenes schweres Ver-
schulden gegen diesen Stand und damit gegen Heer und Vaterland und
gegen sich selbst. Möge es dann die Schuldigen finden.
Damals häuften sich wie auf Geheiß die Klagen über den Offizierstand.
Der Offizier sollte viel besser leben als der Mann, während er doch im
Felde und im Schützengraben genau aus der gleichen Feldküche seine Mahl-
zeiten nahm. Auch in rückwärtigen Unterkünften speiste in der Regel immer
ein Offizier aus der Feldküche, während die anderen gemeinsam aßen.
Unteroffiziere und Mannschaften waren doch in der Küchenkommission ver-